DJ Immobilienbranche warnt vor schärferem Berliner Mietendeckel
BERLIN (Dow Jones)--Die Immobilienwirtschaft hat vor der anstehenden Verschärfung des Berliner Mietendeckels am kommenden Montag gewarnt. Die Maßnahme verknappe den Wohnungsmarkt in der Hauptstadt und helfe vor allem Besserverdienenden, hieß es bei einer Online Pressekonferenz des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA). Die ZIA-Sprecherin für die Region Ost, Stefanie Frensch, verwies dazu auf eine Auswertung des Immobilienportals Immobilienscout24. Demnach hat sich das Angebot an Mietwohnungen in Berlin seit November 2019 um 41 Prozent reduziert, während die Preise um 6 Prozent anstiegen.
Im Vergleich dazu erhöhte sich im gleichen Zeitraum in sechs anderen Metropolen Deutschlands das Angebot um über 30 Prozent, so Frensch. "Das heißt, in Berlin haben wir einen Effekt, der nicht coronabedingt ist, der also gegen den Trend aller anderen Städte geht." Der Mietendeckel habe die Situation für die Berliner damit "nochmals zum Nachteil" verändert, so die Geschäftsführerin der Immobilienholding Becker & Kries.
Zweite Stufe des Mietendeckels gilt für rund 340.000 Haushalte
Ab Montag (23. November) tritt zudem die zweite Stufe des Mietendeckels in Kraft. Überhöhte Mieten sind dann verboten und müssen abgesenkt werden. Als überhöht gilt eine Miete, die mehr als 20 Prozent über einer gesetzlich definierten Obergrenze liegen. Betroffen sind rund 340.000 Haushalte.
Nach Beobachtung von ZIA-Jurist Christian Schede sind es "überproportional die Besserverdienenden", die von der nun anstehenden Mietsenkung profitierten. Es gebe Fälle, bei denen das Mietniveau unter das von Mieten im sozialen Wohnungsbau sinke. Als Beispiele nannte er Ärzte, Botschaftsmitarbeiter oder Mieter in hochwertigen sanierten Wohnungen der wohlhabenden Viertel Charlottenburg oder Schlachtensee. "Diese Fälle machen deutlich, dass noch nicht einmal das gesetzgeberische Motiv richtig getroffen wird, angeblich ein soziales Gesetz zu machen. Sondern im Gegenteil. Das ist unglaublich unsozial." Die Besserverdienenden profitierten "sowohl was die Beträge anbelangt, absolut, als auch was das Verhältnis zu ihrem Haushaltseinkommen anbelangt".
ZIA: Kein Unterschied mehr zwischen Hellersdorf und Kudamm
Mit den Mietendeckel-Plänen gebe es zwischen einer unsanierten Hinterhaus-Wohnung ohne Balkon im Berliner Problembezirk Marzahn-Hellersdorf und einem Apartment mit Dachgeschoss und Terrasse am Kurfürstendamm "also allerhöchstens 2 Euro an Unterschied", fügte Frensch hinzu.
Im Oktober hatte das Bundesverfassungsgericht noch einen Eilantrag eines Berliner Vermieters abgelehnt, die zweite Stufe des Mietendeckels auszusetzen. Die Karlsruher Richter hatten keinen schweren Nachteil für den Kläger erkennen können. Der Berliner Mieterverein hatte die Entscheidung als sachgerecht begrüßt.
Bundesverfassungsgericht urteilt im zweiten Quartal 2021
Gegen den Mietendeckel sind aber auch noch grundsätzliche Klagen von Vermietern anhängig, unter anderem auch von CDU und FDP. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet voraussichtlich im zweiten Quartal 2021, ob das Land Berlin für solche Regelungen grundsätzlich zuständig sei und ob die damit verbundenen Eingriffe in das Eigentumsrecht erlaubt seien. Der Berliner Verfassungsgerichtshof, den weitere Klagen erreicht hatten, setzte unterdessen sein Verfahren aus. Das Gericht wartet nun auf die Entscheidung von Karlsruhe. Sollte der Mietendeckel dann gekippt werden, könnten die betreffenden Vermieter und Wohnungsgesellschaften ihre gewährten Mietminderungen aber wieder rückwirkend einfordern.
Den Mietendeckel hatte der rot-rot-grüne Berliner Senat im Oktober 2019 beschlossen. Mit dem bundesweit einmaligen Vorstoß sollen die Mieten für vor 2014 gebaute Wohnungen für fünf Jahre eingefroren und Wuchermieten gekappt werden. Ziel war, dem überhitzten Wohnungsmarkt eine Verschnaufpause zu geben. Die Maßnahme sieht auch Mietsenkungen bei Neuvermietungen sowie Ausnahmen für Neubauten vor. Das Gesetz ist auf fünf Jahre befristet.
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November 20, 2020 06:32 ET (11:32 GMT)
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