DJ EZB sieht "Fallen Angels" nicht als akutes Problem
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) betrachtet den Verlust von Investmentgrade-Ratings durch Unternehmen offenbar nicht als ein akutes Problem für die Finanzstabilität. In einem Aufsatz ihres aktuellen Finanzstabilitätsberichts weist sie darauf hin, dass sich die Finanzierungsbedingungen für solche "Fallen Angels" nicht schlagartig verschlechtern.
"Die Verschlechterung der Kreditqualität und die entsprechende Finanzmarktreaktionen treten nach einer Herabstufung des Ratings nicht sofort auf, sondern geschehen über einen längeren Zeitraum, der typischerweise schon vor der Herabstufung beginnt", schreibt die EZB in ihrem Bericht. So trübe sich die Kreditrisikowahrnehmung meist schon an Wendepunkten der Einkaufsmanagerindizes ein, und zwar auch dann, wenn die Ratingagentur eine Anleihe nicht auf die Prüfliste gesetzt oder mit einem negativen Ausblick versehen habe.
Auch stiegen die Kosten einer Kreditversicherung (CDS) schon im Vorfeld, so dass sich die Marktreaktionen auf den Verlust des Investmentgrade-Ratings meist in Grenzen hielten. Es komme sogar zu einer teilweisen Erholung, was darauf hindeute, dass die Anleihe zum Zeitpunkt der Herabstufung unterbewertet gewesen sei.
"Die seit Februar 2020 registrierten Fallen Angels folgten diesem Muster, wobei der Anstieg der Kreditprämien im Vorfeld der Herabstufung rascher und stärker ausfiel, wie besonders bei der stark betroffenen Airline-Industrie zu beobachten war", schreibt die EZB. Sie räumt allerdings ein, dass die Dinge in Falle einem Szenario mit vielen gleichzeitigen Herabstufungen weniger günstig aussehen könnten.
Auch den Einfluss der von Herabstufungen erzwungenen Anleiheverkäufe durch Investoren schlägt die EZB nicht allzu hoch an. Dieser werde gemildert durch die unterschiedlichen Definitionen von Investmentgrade bei den verschiedenen Investoren. Auch hätten Fonds oft eine gewisse Flexibilität bei ihrer Reaktion auf Herabstufungen oder sie bildeten Indizes nicht vollständig ab.
Analysten hatten im Sommer darüber spekuliert, ob sich die EZB dazu entschließen würde, Anleihen von Unternehmen zu kaufen, die bis zum Beginn der Pandemie über ein Investmentgrade-Rating verfügten. Sie hatte davon aber Abstand genommen. Zuvor hatte sie im Frühjahr beschlossen, solche Papiere weiterhin als Repo-Sicherheiten zu akzeptieren.
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November 23, 2020 04:50 ET (09:50 GMT)
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