MAGDEBURG (dpa-AFX) - Nach einem Riesenkrach in der schwarz-rot-grünen Koalition in Sachsen-Anhalt und der Blockade der Rundfunkbeitragserhöhung gehen die Regierungspartner wieder aufeinander zu. SPD und Grüne wollen nach eigenen Angaben definitiv in dem Bündnis mit der CDU bleiben, das wegen des Streits um das Beitragsplus von 86 Cent auseinanderzubrechen drohte. Die ARD geht indes von Einschnitten beim Programm aus, falls die Erhöhung auf 18,36 Euro nicht kommen sollte. ZDF, ARD und Deutschlandradio wollen beim Bundesverfassungsgericht wegen der Blockade aus Sachsen-Anhalt klagen.
Der Landesvorstand der Grünen habe am Dienstag einen Beschluss zum Verbleib in der Koalition gefasst, sagte Parteichef Sebastian Striegel am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Damit folgte die Grünen-Spitze Striegels Vorschlag, angesichts der schwierigen Lage durch die Corona-Situation an der Koalition festzuhalten. Auch für die Sozialdemokraten sei ein Ausstieg aus der Regierung kein Thema, sagte SPD-Fraktionschefin Katja Pähle dem Sender Bayern 2. Die Arbeit mit der CDU werde fortgesetzt, schließlich brauche man in der Pandemie-Situation eine stabile Regierung.
Die CDU-Fraktion im Landtag wollte um jeden Preis den Staatsvertrag, der das Beitragsplus von monatlich 17,50 Euro auf 18,36 Euro ab 1. Januar 2021 vorsieht, verhindern - SPD und Grüne waren dafür. Zusammen mit der AfD als größter Oppositionspartei im Parlament mit 25 von insgesamt 86 Sitzen hätte die CDU das Vorhaben bei einer Abstimmung in wenigen Tagen kippen können. Diese Bilder wollte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) verhindern - und zog den Gesetzentwurf am Dienstag zurück. Für den Fall eines CDU-AfD-Vetos hatten SPD und Grüne angekündigt, keine Zukunft des seit 2016 regierenden Bündnisses mehr zu sehen.
Weil ausnahmslos alle Bundesländer dem Staatsvertrag zustimmen müssen, ist er nun deutschlandweit blockiert. Sachsen-Anhalt galt als einziger Wackelkandidat. Die ARD-Anstalten wollen noch in diesem Jahr die Klage zum Rundfunkbeitrag beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Das kündigte der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur an. Der Rundfunkbeitrag ist die Haupteinnahmequelle für die öffentlich-rechtlichen Sender. Es wäre die erste Beitragserhöhung seit 2009.
Wenn das Beitragsplus zum 1. Januar nicht kommen sollte, geht die ARD davon aus, dass Einschnitte beim Programm nötig werden. "Eines ist klar: Wir haben mit vielen Reformen, Kürzungen und Sparmaßnahmen im Großen und Ganzen ausgeschöpft, was man hinter den Kulissen tun kann", sagte Buhrow der dpa mit Blick auf die Sparanstrengungen der vergangenen Jahre in den ARD-Häusern. "Wir sind jetzt an einem Punkt: Wenn die von der zuständigen Kommission KEF errechnete Beitragsanpassung nicht kommt, wird man es im Programm deutlich sehen und hören."
Zur wirtschaftlichen Situation der ARD-Anstalten sagte Buhrow, der auch WDR-Intendant ist: "Alle Sender würden stark betroffen sein. Die beiden kleinsten Anstalten, Saarländischer Rundfunk und Radio Bremen, und dann auch der Hessische Rundfunk würden in besondere Verdrückung kommen. Dann kann man auch von Not sprechen."
Der Verband Privater Medien (Vaunet) appellierte seinerseits an die Länder, unter anderem den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland zu konkretisieren und Strukturen noch effizienter zu machen.
Die Länder indes wollen nach der Blockade aus Magdeburg über ihr weiteres Vorgehen beraten. Sie werde zusammen mit den Co-Vorsitzenden aus Sachsen eine Sondersitzung der Rundfunkkommission einberufen, sagte die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab dem Sender MDR Aktuell. "Dann werden wir im Länderkreis gemeinsam überlegen, wie wir vorgehen." Die SPD-Politikerin koordiniert die Medienarbeit der Länder in der Rundfunkkommission. Wie es nach dem faktischen Nein aus Sachsen-Anhalt weitergeht, ließ sie offen.
Am Mittwoch stimmten die Parlamente in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern dem Staatsvertrag samt Beitragsplus zu. Damit haben nun 14 Länder Ja gesagt, nur die Entscheidung in Thüringen steht noch aus. Wegen der Blockade aus Magdeburg kann der Staatsvertrag aber nicht in Kraft treten.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte im Parlament über die Lage in Sachsen-Anhalt: "Das empfinde ich als eine Niederlage für die Politik, das muss ich sagen." Es sei zudem eine Niederlage für den Förderalismus, wenn 15 Bundesländer für die Erhöhung seien und ein einziges Bundesland die Entscheidung verweigere. In der Situation frohlockten ausgerechnet die Rechten. "Das sehe ich als eine Niederlage für die Demokratie."
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bedauerte, dass aus Sachsen-Anhalt keine Zustimmung zu erwarten sei, zeigte sich aber überzeugt, dass die Erhöhung trotzdem komme. Die Rundfunkanstalten hätten ein "gutes Recht" diese nun einzuklagen. "Ich gehe davon aus, dass die Klage erfolgreich sein wird", sagte Schwesig./rin/DP/nas