DJ Europaparlament erwägt Widerstand gegen Kompromiss im EU-Budgetstreit
BERLIN (Dow Jones)--Das Europaparlament will den von Deutschland, Ungarn und Polen vorgelegten Kompromiss im Streit über den EU-Haushalt vertieft prüfen. "Was ganz klar ist, die Rechtsstaatskonditionalität ist beschlossen und das kann jetzt nicht durch einseitige Erklärungen des Rates nochmal irgendwie abgeändert werden", sagte Parlamentsvizepräsidentin Katharina Barley (SPD) im Deutschlandfunk. Als "sehr problematisch" bezeichnete sie einen Passus in dem Dokument, wonach das System erst in zwei oder drei Jahren greifen würde: "Dann verfehlt es eigentlich das Ziel. Da muss gegengesteuert werden."
Ab dem heutigen zweitägigen EU-Gipfel wollen die Staats- und Regierungschefs über den Vorschlag beraten. Laut Barley enthält der Kompromiss zwar keine konkreten Jahreszahlen. Vorgesehen ist allerdings, dass die EU-Kommission zunächst Guidelines für die Auslegungen der Regelungen erarbeiten soll. Anschließend soll darüber der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden und solange werde die Kommission den Rechtsstaatsmechanismus nicht anwenden. Beobachtern zufolge können solche EuGH-Verfahren zwei Jahre dauern. Damit hätte der ungarische Regierungschef Viktor Orban Zeit gewonnen und müsste keine Mittelkürzungen bis zur Parlamentswahl 2022 fürchten.
Barley zufolge könne aber geprüft werden, "ob nicht das Parlament den Gerichtshof anrufen kann. Dann würde das Ganze schneller gehen." Das EP verfüge über ein solches Klagerecht. "Die Taktik von Orban, das Ganze einfach hinauszuziehen, wird nicht gehen", warnte Barley. Zugleich sei es möglich, dass der EuGH, der bereits klare Positionen zu Rechtsstaatsverstößen in Ungarn und Polen erarbeitet habe, diese Frage prioritär behandele. Wichtiger sei daher, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zügig bei der Formulierung der Guidelines tätig werde, so die Parlamentsvize.
Der Kompromiss war nötig geworden, weil der Rechtsstaatsmechanismus mit dem 1,8 Milliarden Euro schweren EU-Finanzpaket verknüpft ist. Ungarn und Polen hatten die Regelungen abgelehnt und damit sowohl den mehrjährigen EU-Finanzrahmen als auch den 750 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds blockiert. Sollte es zu keiner Einigung bei dem Gipfel kommen, droht im kommenden Jahr ein deutlich reduzierter Nothaushalt.
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December 10, 2020 03:17 ET (08:17 GMT)
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