Mit ausgeweiteten Liquiditätshilfen der EZB wird das Zweckbündnis zwischen Geld- und Finanzpolitik noch enger geknüpft. Denn trotz Impfstoff-Perspektiven verhindern weitere Lockdowns eine Wirtschaftserholung bis zum Frühjahr. Zur Kompensation werden zusätzliche Konjunkturprogramme auch unter Zuhilfenahme des EU-Wiederaufbaufonds aufgelegt, die die EZB finanziert. Für die Aktienmärkte bedeutet das Liquiditätshausse, sozusagen Weihnachten das gesamte nächste Jahr.
Impfstoffe können den kalten Konjunktur-Winter noch nicht auftauen
Die Konjunkturerholung fällt angesichts der neuen Corona-Eindämmungsmaßnahmen deutlich verhaltener aus als bislang von der EZB erwartet. Ein Double Dip der Euro-Wirtschaft im Winterhalbjahr ist unvermeidlich. Zwar rechnet die EZB in diesem Jahr mit einem weniger scharfen Konjunktureinbruch von minus 7,3 nach zuvor minus 8,0 Prozent. Für 2021 (3,9 nach 5,0 Prozent) zeigt sie sich jedoch deutlich vorsichtiger und rechnet damit, dass die Erholung erst 2022 (4,2 nach 3,2 Prozent) Fahrt aufnehmen kann. Vor allem der Stimmungseinbruch im Dienstleistungsgewerbe wird sich zunächst fortsetzen. Auch die im Vergleich stabilere Industrie kann sich dieser Moll-Stimmung nicht entziehen. Die EZB-Chefin Lagarde betonte explizit, dass selbst die Corona-Impfstoffe kein schnelles Ende der Wirtschaftsflaute herbeiführen. Damit hat sie der geldpolitischen Lockerung im Kampf gegen Deflationierung noch weiter Tür und Tor geöffnet.
Tatsächlich ist die Preisentwicklung in der Eurozone von minus 0,3 Prozent in den letzten drei Monaten hartnäckig deflationär. Ebenso bleibt der Inflationsausblick nüchtern: 2020 0,2 nach zuvor 0,3; 2021 1,0 statt 0,7, 2022 1,1 statt 1,2 und 2023 1,4 Prozent. Insofern belässt die EZB die Leitzinsen so lange auf ihrem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau, bis sich eine Preissteigerung von durchschnittlich zwei Prozent einstellt. "Durchschnittlich" heißt dabei, dass nach langem Unterschreiten auch ein Überschießen oberhalb von zwei Prozent zu keiner geldpolitischen Restriktion führt, sondern toleriert wird. Vor 2024, wenn überhaupt, ist nicht mit Zinssteigerungen zu rechnen.
EZB setzt der Euro-Aufwertung Grenzen
Die aktuelle Deflationsphase nutzt die Europäische Zentralbank als Rechtfertigungsgrund zur Euro-Schwächung. Zunächst bremst ein Euro auf Zweieinhalbjahres-Hoch zum US-Dollar die importierte Inflation u.a. der in US-Dollar notierenden Rohstoffpreise. Die Erholung der Rohstoffpreise verläuft auf Euro-Basis gedämpfter.
Ohne Zweifel ist der EZB die Euro-Aufwertung als Belastungsfaktor für den Export ein Dorn im Auge. Allerdings nennt Lagarde keine explizite Schmerzgrenze für den Euro, um sich offiziell nicht der Wechselkursmanipulation verdächtig zu machen. Dennoch haben die Devisenmärkte verstanden, dass sich die europäische Geldpolitik im Währungsabwertungswettlauf mit der Fed befindet.
Doch so sehr der feste Euro als Alibi für geldpolitische Freizügigkeit missbraucht wird, so wenig spricht längerfristig für seine nachhaltige Stärke. Konjunkturanfälligkeit, innereuropäische Schwelbrände und mitunter eine Politik, die Wirtschaftskompetenz links liegen lässt, sind keine nachhaltigen Argumente für Währungsstärke.
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