DJ EZB/Weidmann warnt vor Überforderung der Geldpolitik in der Pandemie
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann hat vor einer Überforderung der Europäischen Zentralbank (EZB) bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie gewarnt. In einem Vortrag an der Berliner Humboldt-Universität wies er darauf hin, dass eine zu Staatsanleihekäufen allzu bereitwillige Zentralbank den Regierungen den Anreiz zu maßvollem Handeln nehmen könnte. "Bei diesen Krisenanstrengungen sollte nicht außer Acht geraten, dass unterschiedliche Politikbereiche unterschiedlichen Zielen vorrangig verpflichtet sind", sagte Weidmann laut veröffentlichtem Redetext.
Damit das Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik am Ende dem Gemeinwohl dient, ist es Weidmann zufolge vor allem wichtig, die Verantwortlichkeiten zwischen den Politikbereichen nicht zu verwischen und die Geldpolitik nicht zu überfordern. "Wenn die Fiskalpolitiker erwarten, dass die Geldpolitik am Ende zur Rettung eilt, könnten sie die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen als gegeben ansehen und zusätzliche Schulden anhäufen", warnte Weidmann.
Umso größer wäre laut Weidmann dann später womöglich der Druck auf die Notenbank, und umso schwieriger wäre es für sie, diesem Druck auch standzuhalten. "Gibt die Notenbank dem Drängen dann nach, könnten sich die gewohnten Rollen vertauschen: Wenn die Geldpolitik die Solvenz des Staates sicherstellt, bestimmen letztlich die Erfordernisse der Fiskalpolitik die Höhe der Inflation", sagte der Bundesbank-Präsident.
Die EZB hat gerade das Volumen ihres Pandemiekaufprogramms PEPP um 500 Milliarden auf 1.850 Milliarden Euro aufgestockt und seine Dauer bis mindestens März 2022 verlängert. Erklärtermaßen will die EZB mit ihren Staatsanleihekäufen auch die Finanzierungskosten der Staaten niedrig halten, die schwer an der Bewältigung der Pandemiefolgen tragen. "Wir müssen aufpassen, dass die geldpolitischen Notfallmaßnahmen nicht zur Dauereinrichtung werden: Sie müssen nach der Krise wieder zurückgefahren werden", sagte Weidmann.
Für ihn sei auch entscheidend, dass der Anteil, den die Notenbanken an den ausstehenden Staatsanleihen halten, nicht zu groß werden sollte. "Denn sonst laufen wir Gefahr, einen dominanten Markteinfluss zu gewinnen und die Unterschiede in den Risikoprämien der Staatsanleihen einzuebnen." Das schwächt die Marktdisziplinierung weiter, und vor allem dieses Problem werde durch die jüngste Aufstockung des PEPP abermals verschärft.
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December 16, 2020 12:55 ET (17:55 GMT)
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