DJ MARKT-AUSBLICK/DAX auf Rekordjagd - Gamestop-Turbulenzen abgehakt
Von Manuel Priego Thimmel
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Börsen haben die jüngste kleinere Schwächephase überwunden. Der DAX peilt neue Allzeithochs an. Die Anleger haben sich mit dem schleppenden Impfverlauf in Europa in der Zwischenzeit abgefunden, bleiben aber bei ihrer Erwartung einer starken wirtschaftlichen Erholung. Derweil haben wie erwartet die Kursturbulenzen rund um Gamestop keinen nachhaltigen Effekt auf die Börsen gehabt. Zu einem Risiko für die Börsen könnte aber die andauernde Versteilerung der Zinskurve in den USA werden.
Der Lockdown schadet der europäischen Wirtschaft weniger als zunächst befürchtet. Die Wirtschaftsleistung in der Eurozone ist im Schlussquartal 2020 gegenüber dem dritten Quartal um 0,7 Prozent geschrumpft. Das ist nicht schön, aber auch keine Katastrophe. Die Industrieproduktionsdaten in der kommenden Woche sollten dies bestätigen. Das erste Quartal dürfte noch schwierig werden, dann wird es aber wohl rasch besser werden. Italien und Österreich haben bereits gelockert bzw Lockerungen angekündigt, in Deutschland ist die Debatte in vollem Gange.
Berichtssaison läuft gut
Das stützt die Stimmung genauso wie die Aussicht auf ein neues Konjunkturprogramm in den USA, auch wenn US-Präsident Joe Biden angesichts des Widerstands der Republikaner bei seinen Plänen vermutlich Abstriche machen muss. "Die liquiditätsgetriebene Hoffnungsrallye geht weiter", so Merck Finck und nennt dafür drei Gründe: die konjunkturelle Frühlingsperspektive, entschlossene Notenbanken und Regierungen im "Whatever it takes"-Modus. Merck Finck sieht den DAX noch im ersten Halbjahr auf 15.000 Punkte steigen.
Stützend für den Markt wirkt auch die laufende Berichtssaison für das vierte Quartal. Laut der Commerzbank haben von den DAX-Unternehmen, die bislang ihre Zahlen vorgelegt haben, 46 Prozent die Markterwartungen übertroffen. Im MDAX seien es sogar 61 Prozent der Unternehmen gewesen. "Diese Bilanz... ist umso bemerkenswerter, als eine überdurchschnittlich hohe Anzahl von Unternehmen bereits im Verlauf des vierten Quartals ihre Erwartungen für das Gesamtjahr 2020 nach oben angepasst hatte", heißt es.
Schwarm konnte sich gegen Dinosaurier nicht durchsetzen
Die Turbulenzen rund um Gamestop & Co und die damit verbundenen kurzen Verzerrungen an den Gesamtmärkten sind derweil abgeebbt. Der Siegeszug der über Reddit organisierten Privatanleger gegen die Hedgefonds, die durch die konzertierte Aktion gezwungen wurden, Short-Positionen teuer zu decken, hat sich als kurzfristig erwiesen. Die Gamestop-Aktie ist in der Zwischenzeit völlig zusammengebrochen. Der Versuch der Reddit-Gemeinde, den Silberpreis nach oben zu manipulieren, ist ebenfalls kläglich gescheitert.
Zurück bleiben Hegdefonds, die unter dem Strich ihren Reibach gemacht haben dürften, und einige Private, die trotz "Schwarmintelligenz" etwas über die Machtverhältnisse an den Finanzmärkten gelernt haben. "Es bleibt die Erkenntnis, dass solche... Aktionen auch auf Ebene des Gesamtmarktes erhebliche Volatilität auslösen und größere Marktteilnehmer in Schwierigkeiten bringen können. Das Finanzsystem hat den Lackmustest jedoch bestanden", so die LBBW. Die globale Geldschwemme treibe die Anleger dazu, höhere Risiken einzugehen.
Versteilerung der Zinskurve keine Gefahr für Aktien
Wo liegen die Risiken? Neben den bekannten wie etwa einer Covid-19-Mutation, die sich resistent gegen die bislang entwickelten Impfstoffe zeigen könnte, schauen die Anleger nun gespannt auf die Versteilerung der Zinskurve in den USA. Diese ist vor allem ein Ausdruck der Erwartung einer starken wirtschaftlichen Erholung im laufenden Jahr. Die Rendite der 30-jährigen US-Treasuries liegt in der Zwischenzeit bei 1,95 Prozent. Je mehr die Rendite steigt, desto attraktiver werden Anleihemärkte relativ betrachtet zu Aktienmärkten.
Dass die anziehenden Renditen zu einer echten Gefahr für die Aktienmärkte werden, ist indes unwahrscheinlich. Die Notenbanken haben klar gemacht, dass sie auch bei einer anziehenden Inflation ihre Anleihekäufe nicht reduzieren werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sie bei steigenden Renditen die Anleihekäufe notfalls sogar noch ausweiten werden, um einen Anstieg der Realzinsen zu verhindern, der die Stabilität der Staatsfinanzen gefährden wird. Finanzielle Repression wird die Finanzmärkte noch über viele Jahre begleiten.
Kontakt zum Autor: manuel.priego-thimmel@wsj.com
DJG/mpt/cln
(END) Dow Jones Newswires
February 05, 2021 07:44 ET (12:44 GMT)
Copyright (c) 2021 Dow Jones & Company, Inc.