DJ BDI: CO2-Minderungsrate muss für Klimaziele verfünffacht werden
Von Petra Sorge
BERLIN (Dow Jones)--Für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft in Deutschland und der EU ist aus Sicht des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) eine gewaltige Anstrengung nötig. Die jüngsten politischen Entscheidungen zur Klimaneutralität 2050 dürften "eine Verfünffachung der bisherigen CO2-Reduktionsrate in Europa erfordern", sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm anlässlich eines Perspektivdialogs mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. "Die Politik fixiert sich auf immer höhere Ziele an die Industrie, statt mit der Industrie zu reden, wie diese Ziele erreicht werden sollen."
Russwurm: Neuaufschnüren von Grenzwerten belastet Investitionssicherheit
Wenn die vor zwei Jahren festgelegten Grenzwerte nun wieder aufgeschnürt würden, sei dies für die Unternehmer jedoch enorm schwierig, da es keine Planungsgewissheit für Investitionen mehr gebe. Russwurm warnte, die Transformation der deutschen Wirtschaft dürfe nicht zu Nachteilen im globalen Wettbewerb oder sozialen Verwerfungen führen. Mit Blick auf die Folgen der Corona-Krise sprach der Verbandspräsident von einem stillen Exodus: "Der macht uns Sorgen. Klimaschutz muss bezahlbar und für die Industrie machbar bleiben".
Der BDI verwies etwa auf die Politik der EU-Kommission, die erst vor zwei Jahren ausgehandelten CO2-Flottengrenzwerte erneut aufzuschnüren. In Deutschland hatte zudem im November 2019 die Bundesregierung das Klimapaket beschlossen, mit dem die Minderungsziele erstmals gesetzlich fixiert, aber auch Maßnahmen wie der CO2-Preis beschlossen wurden.
Die Maßnahmen beruhten aber noch auf der Annahme, dass die Treibhausgase in Deutschland bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 sinken müssen. Ende 2020 jedoch vereinbarte die EU eine Verschärfung ihrer Klimaziele bis 2030 von 40 auf 55 Prozent. Experten sind sich einig, dass damit auch Deutschland seine aktuellen Anstrengungen erhöhen muss - die Koalitionspartner sind nur uneinig, ob auf 60 oder 65 Prozent.
Klimaökonom Edenhofer: "Stromwende war die leichtere Übung"
Dies bedeute, dass alle Pakete neu aufgemacht werden müssten, betonte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer: "Weil sie für das höhere Minderungsziel nicht mehr ausreichen." Es gäbe nun für ganze Wertschöpfungsketten "gravierende Umsetzungsfragen", betonte der Klimaökonom.
Diese Innovationsaufgabe betreffe den Markthochlauf von Wasserstoff, die Dekarbonisierung der Industrie bis hin zur Umstellung von E-Fuels aus Treibhausgasneutralität. "Das, was wir mit der Stromwende gemacht haben, war die leichtere Übung, jetzt kommt die größere." Edenhofer mahnte eine Regulierung über starke CO2-Preise an. Zugleich plädierte er für Technologieoffenheit etwa im Verkehrssektor - eine Forderung, die auch aus der Wirtschaft selbst kommt.
Aus Sicht der Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, muss das Ziel sein, die Wertschöpfungstiefe in Deutschland zu erhalten. Eine Möglichkeit seien dabei auch regionale Transformationsdialoge. Als große Arbeit bezeichnete sie dabei den kartellrechtlichen Rahmen: "Die Transformationsdynamik wird durch die Digitalisierungsdynamik im Autosektor noch verschärft."
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February 11, 2021 07:09 ET (12:09 GMT)
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