
DJ Kreditwirtschaft in Deutschland und Italien will weniger Regulierung
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Kreditwirtschaftliche Verbände aus Deutschland und Italien haben die EU-Institutionen dazu aufgefordert, "den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie mit spürbaren regulatorischen Anpassungen entgegenzuwirken". In einem gemeinsamen Positionspaier plädierten die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) und der Verband der italienischen Banken für mehr regulatorische Flexibilität. Sie forderten laut einer Mitteilung des deutschen Dachverbandes, die Bankenunion zu gestalten, das Basel-3-Regelwerk in Europa verantwortungsbewusst umzusetzen und die Behandlung notleidender Kredite an die aktuelle wirtschaftliche Situation anzupassen.
Angesichts der massiven Auswirkungen von Covid-19 auf die europäische Wirtschaft schlugen die Verbände ein Bündel von Maßnahmen vor, das kurz- oder mittelfristige Rückschläge in der Fähigkeit des europäischen Bankensektors zur Finanzierung der Realwirtschaft verhindern solle. Die Vorschläge betreffen laut der DK vor allem die Vorgaben zum Krisenmanagement für Banken und die Rolle bewährter Einlagensicherungssysteme in den Mitgliedstaaten. Außerdem regten sie eine ausgewogenere Umsetzung des Basel-3-Regelwerks in europäisches Recht sowie bei notleidenden Krediten ein Vorgehen an, das prozyklische Effekte vermeide.
"Das heutige europäische Aufsichtsregime wurde vor der Corona-Pandemie entwickelt", sagte der Chef des Verbands der italienischen Banken ABI, Giovanni Sabatini. "Darum appellieren wir an die europäischen Institutionen, diese Regeln anzupassen und Ausnahmen oder ein vorübergehendes Aussetzen zu prüfen, um unerwünschte, prozyklische Effekte zu vermeiden." Zur Weiterentwicklung der Regeln könnte "eine Stärkung nationaler Einlagensicherungssysteme auch in der zweiten Säule der Bankenunion erhebliche Vorteile bringen", erklärte Karl-Peter Schackmann-Fallis, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, in diesem Jahr Federführer der DK.
Die Regeln für das Krisenmanagement von Banken sollten die Grundsätze von Proportionalität und Subsidiarität berücksichtigen, betonen ABI und DK in ihrem Positionspapier. Analog zur einheitlichen europäischen Bankenaufsicht sollten auch die Regeln zum Krisenmanagement zweistufig aufgebaut sein: Bei Banken, die dem Europäischen Abwicklungsregime unterliegen, greift demnach der gemeinsame Abwicklungsmechanismus, bei Banken unter nationaler Aufsicht agierten die nationalen Behörden nach gemeinsamen Regeln.
In diesem Zusammenhang sollten, soweit erforderlich, das Insolvenzrecht für Banken harmonisiert und die Einlagensicherungssysteme auf Ebene der EU-Mitgliedstaaten gestärkt werden. Das würde die Bankenunion stärken, ohne in ihre bewährten Institutionen einzugreifen. Für die Umsetzung des Basel-3-Pakets in der Europäischen Union regten ABI und DK angesichts der aktuellen Lage an, den legislativen Prozess in der EU vorübergehend auszusetzen, wenigstens bis die Auswirkungen der Gesundheitskrise auf die Realwirtschaft und den Finanzsektor gänzlich geklärt seien.
Die Regeln zu notleidenden Krediten sollen nach dem Petitum der Verbände im Licht der durch die Corona-Pandemie entstandenen Ausnahmesituation neu bewertet werden. In ihrem Positionspapier schlugen sie vor, für Kredite, die bis zum 26. April 2019 ausgereicht wurden, die Fristen für Zahlungen und die aufsichtsrechtlichen Anforderungen vorübergehend einzufrieren. Es sollte hier "die Uhr für 24 Monate angehalten werden, um unerwünschte, den konjunkturellen Einbruch verschärfende Nebenwirkungen der gegenwärtigen Regulierung zu vermeiden". Zusätzlich sollten für die Erwerber notleidender Kredite die Fristen erst mit dem Erwerb der Kredite zu laufen beginnen.
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February 16, 2021 06:21 ET (11:21 GMT)
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