DJ Mehr als jeder zweite Händler sieht Insolvenzgefahr - HDE erwartet Klagewelle
Von Petra Sorge
BERLIN (Dow Jones)--Mehr als 60 Prozent der Händler sehen sich in Insolvenzgefahr, sollten sie in diesem Jahr keine weiteren staatliche Unterstützung erhalten. Das geht aus einer Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) unter mehr als 2.000 Betrieben hervor, die in Berlin vorgestellt wurde. Eine Grund sei, dass die Betroffenen im vergangenen Jahr im Schnitt lediglich 11.000 Euro an Hilfsgeldern erhielten.
Drei Viertel der befragten Unternehmen betonten, dass die Hilfsmaßnahmen nicht zur Existenzsicherung ausreichten. "Viele Händler befinden sich einer dramatischen Situation", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. "Ohne passgenaue staatliche Unterstützung und ohne Öffnungsperspektive werden in vielen Innenstädten in den kommenden Wochen die Lichter ausgehen." Von den 200.000 Handelsunternehmen im Non-Food-Bereich, die momentan im Lockdown seien, seien 50.000 "wirklich akut in Insolvenzgefahr".
28 Prozent der Textilhändler wollen vor Gericht ziehen
Auch steigt der Frust über die anhaltenden Corona-Maßnahmen: Mehr als ein Viertel (28 Prozent) der befragten Bekleidungshändler plant demnach, gegen die Schließung des eigenen Geschäfts vor Gericht zu ziehen. Darunter seien sowohl kleine, mittlere als auch große Unternehmen, so Genth.
Der HDE will dazu in den kommenden Tagen ein Rechtsgutachten erstellen, das allen Händlern zur Verfügung gestellt werden soll. Der Verband pocht darauf, dass die Hygienekonzepte der Branche "hervorragend" funktionierten und es zugleich eine Ungleichbehandlung gegenüber Lebensmittelhändlern gebe.
Ernstings-Chef fordert Öffnung am 8. März
Klagen will auch der Chef der Textilkette Ernstings Family, Timm Homann. Er forderte, ab 8. März müsse die Branche an einer Öffnung teilhaben. Scharf kritisierte er Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) für die Verzögerungen bei den Corona-Hilfen. Die Vorgänge ließen ihn "fassungslos am Schreibtisch zurück", erklärte Homann. In seinem Unternehmen sei bis jetzt "die staatliche Unterstützung mit Ausnahme des Kurzarbeitergeldes null". Die jüngst von Altmaier in Aussicht gestellte Ausweitung der Überbrückungshilfe III würde gerade mal 10 Prozent der Verluste von Ernstings kompensieren, so Homann.
Der Geschäftsführende Gesellschafter der Thalia Bücher GmbH, Michael Busch, verwies auf Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, wonach vom Einzelhandel keine größeren Risiken ausgingen. "Das bestätigt, dass das Infektionsrisiko im Einzelhandel sehr gering ist." Von den 50 Millionen Kundenkontakten im Handel entfallen 40 Millionen auf den Lebensmittelhandel, der während der Pandemie stets geöffnet war. Dennoch habe es keinen Infektionsherd im deutschen Einzelhandel gegeben, so Busch.
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February 25, 2021 04:06 ET (09:06 GMT)
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