DJ MARKT-AUSBLICK/Keine Klarheit im DAX bis zum EZB-Entscheid
FRANKFURT (Dow Jones)--Eine spannende Woche steht Anlegern in DAX & Co bevor. Denn die Freude über das bevorstehende Ende von Corona-Lockdowns und die Wiedereröffnung der Wirtschaft ist schnell verraucht. Angesichts des öffentlichen Drucks bleibt der Politik nichts anderes übrig. Anleger sehen die Öffnung nun als selbstverständlich und richten den Blick auf die lange verdrängten Risiken - vor allem Zinsanstieg und Inflation.
Bei Technologiewerten und anderen zinsempfindlichen Sektoren schaut der Markt auf fast nichts anderes mehr. Erst wenn es hier Entspannung und Klarheit gibt, so vielleicht dank der EZB-Sitzung am Donnerstag, dürften die hochbewerteten Aktienmärkte wieder einen neuen Kurs einschlagen. Bis dahin müssen Anleger wohl mit einem Pendeln des DAX zwischen grob 13.800 und 14.200 Punkten leben.
Börsen hängen zwischen zwei Stühlen
Aktuell hängen die Börsen zwischen zwei Stühlen: Von der US-Notenbank gibt es schon Aussagen zur Zinspolitik, von der EZB dagegen erst am Donnerstag. Vor allem Pläne gegen den Ausverkauf der Rentenmärkte werden von ihr erwartet. Die Sorge ist da, dass ein zu rascher Zinsanstieg die zarte Erholung in Europa abwürgen könnte. Denn in den USA konnte nicht einmal ein taubenhafter Fed-Präsident Jerome Powell beruhigen. Im Gegenteil: Die Rendite der 10-jährigen US-Treasurys schoss nach oben und lag am Tag danach bei 1,58 Prozent und damit nur knapp unter dem Jahreshoch.
Die Erwartung an die EZB steigt damit weiter: Die Analysten von Warburg Research sehen sie derzeit sogar an zwei Fronten kämpfen, die beide die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen verschlechtern: höhere Renditen und ein stärkerer Euro. Daher fordern sie von der EZB, sie "sollte nicht mehr lange nur reden, sondern bald handeln, damit der Renditeanstieg das fragile Wachstum nicht abwürgt". Möglichkeiten zum Handeln sehen sie z. B. durch erhöhte Anleihekäufe oder Eingriffe in die Laufzeitstruktur. Diese "Operation Twist", bei der kurzlaufende Anleihen verkauft und langlaufende Anleihen gekauft werden, sei im September 2011 schon einmal beschlossen worden.
Inflation ist "noch" kein Thema
Auch Paul Diggle, Senior Economist bei Aberdeen Standard Investments, sieht steigende Zinsen in dieser frühen Phase der wirtschaftlichen Erholung als "eine unwillkommene Entwicklung". Es habe bisher "eine Flut von EZB-Beschwichtigungen" gegeben, doch EZB-Präsidentin Lagarde könnte am Donnerstag nun konkretere Schritte vorstellen.
Rückendeckung könnte sie von neuen EZB-Prognosen bekommen, die zwar einen starken Anstieg der Inflation in naher Zukunft zeigen, gefolgt aber von einem Rückgang, so dass die Zentralbank ihr Inflationsziel in den Jahren 2022 und 2023 dennoch verfehlen wird. Diggle sähe hierin gute Argumente für die EZB, um weitere Lockerungen zu rechtfertigen.
Eine echte Inflation als Grund für steigende Zinsen und damit Bedrohung für die Märkte sehen auch die Experten von Western Asset Management noch nicht: "Doch leichte inflationäre Tendenzen machen noch keine Inflation", sagt Fondsmanager Amit Chopra. Die Märkte seien zu voreilig, dies müsse sich erst längere Zeit in den Konjunkturdaten niederschlagen: "Die Fed hat klar erklärt, dass sie jeden vorübergehenden Inflationsanstieg abwarten würde, bevor sie die Zinsen anhebt." Insofern dürften die Märkte noch Zeit haben, sich darauf einzustellen.
Verwirrung und Vola vor Wahlen und Schweigeperiode
Auf Sicht der nächsten Woche sind indes eher Vermutungen, Gerüchte und damit Volatilität angesagt. Denn wie die Strategen der Helaba unterstreichen, befinden sich die Vertreter der EZB nun in der sogenannten Schweigeperiode, in der es bis zum Ratstreffen am Donnerstag keine neuen Redebeiträge mehr geben wird. Der Markt habe daher mit widersprüchlichen Meldungen zu tun. Einige Ratsmitglieder sollen demnach nicht die Notwendigkeit für drastische Maßnahmen im Kampf gegen den Zinsanstieg sehen, andere hätten dagegen sogar eine Verschärfung des Expansionsgrads inklusive Zinssenkungen ins Spiel gebracht. "Die Verwirrung ist perfekt", urteilt die Helaba.
Für Aktiensparer dürfte daher erst der Donnerstag neue strukturelle Entscheidungsgrundlagen bringen. Bis dahin wird eine Menge an Jahreszahlen der Unternehmen und Konjunkturdaten für Ablenkung sorgen. Die interessanteste Weichenstellung für die Politik findet aber am darauffolgenden Sonntag, dem 14. März, statt. Denn mit den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und den Kommunalwahlen in Hessen werden die Deutschen zum ersten Mal in der Corona-Zeit an die Wahlurnen gerufen. Beobachter erwarten eine Abrechnung mit dem enttäuschenden Corona- und Impf-Management und erste Indikationen für die Bundestagswahl.
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March 05, 2021 07:56 ET (12:56 GMT)
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