DJ Kronberger Kreis will von EZB mehr Regelbindung und Verhältnismäßigkeit
Von Hans Bentzien
KRONBERG (Dow Jones)--Der Kronberger Kreis, ein Zusammenschluss wirtschaftsliberaler Hochschulprofessoren, hat die Europäische Zentralbank (EZB) dazu aufgefordert, ihre Geldpolitik stärker an Regeln auszurichten, transparenter zu werden und mehr auf eine Verhältnismäßigkeit ihrer Politik zu achten. Die sechs Wirtschaftswissenschaftler und Juristen, darunter eine Frau, wollen im Detail, dass die EZB Pläne für einen langfristigen Abbau ihrer Staatsanleihebestände vorlegt, um das Risiko einer "fiskalischen Dominanz" zu vermindern. Zudem warnen sie vor einer "deutlichen Anhebung" des Inflationsziels und befürworten Prognosen des EZB-Rats.
"Eine fiskalische Dominanz der Geldpolitik muss vermieden werden", forderte Mitautor Volker Wieland, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die hohen staatlichen Schuldenquoten in der Eurozone setzten die EZB unter Druck, die Kosten der Schuldenfinanzierung niedrig zu halten. Dieser Druck gefährde die Unabhängigkeit der EZB und dürfe sie nicht dazu verleiten, ihre Krisenpolitik über die Corona-Krise hinaus fortzuführen. "Die EZB muss erklären, wie sie die hohen Staatsanleihebestände in ihrer Bilanz längerfristig reduziert", mahnte Wieland.
Feld: EZB muss Nebenwirkungen der Geldpolitik berücksichtigen
Die EZB erhöht seit 2014 ihre Staatsanleihebestände, weil sie ihr Leitzinsinstrument nahezu ausgereizt hat. Lars P. Feld, Sprecher des Kronberger Kreises und seit 2008 dessen Mitglied, warnte davor, das hierarchische Mandat der EZB mit Priorisierung des Preisstabilitätsmandats in Frage zu stellen. "Die nachgeordnete Aufgabe, die Ziele der EU zu unterstützen, ist nicht als Mandat zu einer eigenständigen Wirtschaftspolitik zu verstehen, sondern als Pflicht, die Nebenwirkungen der Geldpolitik zu berücksichtigen", sagte Feld.
Die EZB prüft seit einiger Zeit ihre geldpolitische Strategie, wobei sowohl Preismessung als auch Inflationsziel und geldpolitische Instrumente auf den Prüfstand kommen. Feld sagte, anders als in den USA sei eine zusätzliche Fokussierung auf ein Vollbeschäftigungsziel nicht sinnvoll, da in den Euro-Mitgliedstaaten sehr grundsätzliche Unterschiede in der Arbeitsmarktverfassung und -politik bestünden und sich die Arbeitsmärkte sehr heterogen entwickelten. Wieland warnte davor, die Bilanz der Notenbank zur Finanzierung und Subvention von Klimaschutzprojekten einzusetzen.
Inflationsziel von knapp 2 Prozent weiter angemessen
Der Kronberger Kreis hält ein Inflationsziel von nahe, aber unter 2 Prozent weiterhin für sinnvoll. Eine deutliche Erhöhung dieses Ziels wäre seiner Meinung nach nicht mehr mit dem Preisstabilitätsmandat vereinbar. Allerdings sollte die EZB weitere Inflationsmaße wie den Preisindex des Bruttoinlandsprodukts (BIP-Deflator) für ihre Entscheidungen und deren Kommunikation hinzuziehen. "Zudem sollte sich die EZB stärker an quantitativen Referenzwerten, wie Zinsregeln, und am M3-Geldmengenwachstum orientieren", forderte Wieland.
Darüber hinaus könne die Transparenz der Geldpolitik deutlich erhöht werden, etwa durch Veröffentlichungen von Umfragen und Prognosen des EZB-Rates. "Grundsätzlich gilt es, bei allen Maßnahmen zu berücksichtigen, dass die Unabhängigkeit der EZB und die Stabilität der Währungsunion gestärkt wird", sagte Feld.
Dem Kreis gehören neben den beiden zitierten Personen Ifo-Präsident Clemens Fuest, Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie, Berthold U. Wigger, Finanzwissenschaftler vom Karlsruher Institut für Technologie und die Juristin Heike Schweitzer von der Berliner Humboldt-Universität an.
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March 10, 2021 07:45 ET (12:45 GMT)
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