DJ EZB-Chefökonom hat Sympathien für durchschnittliches Inflationsziel
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Philip Lane, hat Sympathien für die Verfolgung eines durchschnittlichen Inflationsziels durch die EZB. In einem Interview mit der Financial Times machte Lane außerdem deutlich, dass er eine Politik der Zinskurvenkontrolle für unnötig hält und dass sich die EZB bei der Sicherung günstiger Finanzierungsbedingungen am Inflationsausblick orientieren wird. Eine weitere Lockerung der Geldpolitik scheint Lane für möglich, aber nicht für nötig zu halten.
1. Flexible Verfolgung eines durchschnittlichen Inflationsziels?
Diese von der US-Notenbank eingeführte Strategie sieht vor, dass die Zentralbank signalisiert, dass sie nach Perioden zu niedriger Inflation solche mit erhöhter Inflation zulassen wird - und umgekehrt. "Das hat eine starke Logik", sagte Lane. Er machte allerdings Einschränkungen: Die Diskussion sei noch in vollem Gange, es gebe auch andere erfolgversprechende Strategien zur Verankerung der Inflationserwartungen, und zudem müsse diese Strategie flexibel umgesetzt werden. "Niemand will die strikte Verfolgung eines Durchschnittswerts, bei nach einer Periode erhöhter Inflation eine Periode unterdurchschnittlicher Inflation erzwungen werde müsste", sagte er.
2. Forward Guidance statt Zinskurvenkontrolle
Die Bank of Japan (BoJ) verfolgt diese Strategie, indem sie für die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen von 0 Prozent vorgibt. Lane hielte das für nicht angemessen. "Für uns ist wichtig, dass wir genug geldpolitische Akkommodation liefern, damit die Finanzierungsbedingungen so günstig bleiben, dass der Pandemie-Schock für den Inflationspfad ausgeglichen wird und wir uns wieder dem Inflationsziel nähern", sagte er. Er gab außerdem zu bedenken, dass sich die Debatte bezüglich Zinskurvenkontrolle auf einen Horizont von zwei bis drei Jahren beziehe. Dieser Bereich werde im Euroraum von der Forward Guidance abgedeckt. "Märkte und Umfrageteilnehmer glauben nicht, dass wir die Zinsen in den nächsten zwei bis drei Jahren anheben", sagte Lane.
3. "Günstigkeit" der Finanzierungsbedingungen von Inflationsausblick abhängig
Lane stellte dem Konzept der strikten Zinskurvenkontrolle ein dynamisches Konzept günstiger Finanzierungsbedingungen gegenüber. "Die Einschätzung, ob die Finanzierungsbedingungen günstig sind, ist dynamisch", sagte er. Sie hänge von den Fortschritten bei der Inflationsprognose ab. Mit anderen Worten: Bessert sich der Inflationsausblick, können auch höhere Zinsen als günstig gelten. Das Verhältnis zwischen dem angemessenen Renditeniveau und der Inflation werde sich mit der Zeit verändern.
4. EZB verfolgt Inflationsziel "geduldig"
Der EZB-Chefvolkswirt verteidigte die Entscheidung des EZB-Rats, die Geldpolitik trotz einer Inflationsprognose von 1,4 Prozent für 2023 nicht entschlossener gelockert zu haben. "Am wichtigsten ist es, dass wir uns dem Ziel schnell genug nähern und dass sich die Inflationserwartungen nicht zu weit vom Ziel entfernen", sagte er. Dazu brauche es einerseits entschlossene Maßnahmen, andererseits aber auch Geduld. Zwar habe der Zins noch nicht seine Untergrenze erreicht, er sei aber gemessen an historischen Normen niedrig. Lane wies außerdem darauf hin, dass sich schon vor der Corona-Krise fast 30 Prozent der Staatsanleihen des Euroraums in der EZB-Bilanz befunden hätten.
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March 16, 2021 05:07 ET (09:07 GMT)
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