DJ Commerzbank: BVerfG legt EU-Aufbaufonds keine großen Steine in den Weg
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wird dem von ihm vorläufig gestoppten EU-Aufbaufonds nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer keine großen Steine in den Weg legen. "In zurückliegenden Urteilen zu europarechtlichen Fragen haben die Verfassungsrechtler den Politikern häufig mehr Gestaltungsspielraum zugebilligt als bei Fragen, die im Grundgesetz selbst geregelt sind", schreibt Krämer in einer Analyse. Zuvor hatte das Verfassungsgericht am Freitag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier untersagt, das Ratifizierungsgesetz zum 750 Milliarden Euro schweren EU-Aufbaufonds zu unterschreiben und damit rechtskräftig zu machen.
"So hat das BVerfG im Urteil zum PSPP-Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) trotz des Fehlens einer Verhältnismäßigkeitsprüfung und einer festgestellten Kompetenzüberschreitung durch den Europäischen Gerichtshof eine Fortsetzung der Anleihekäufe ermöglicht", argumentiert Krämer. Die EZB habe die vom BVerfG geforderte Verhältnismäßigkeitsprüfung ohne große Probleme nachholen können.
"Wir erwarten auch bei der Entscheidung über das Ratifizierungsgesetz zum EU-Aufbaufonds, dass sich das BVerfG nicht querlegt", schreibt Krämer. Vielmehr könnte es am Ende lediglich Bedingungen formulieren, die in der politischen Praxis ohne große Probleme erfüllt werden könnten. "Die Karlsruher Richter dürften die von vielen Politikern in Europa gewollte Weiterentwicklung der EU hin zu einer Transferunion nicht aufhalten", prognostiziert der Commerzbank-Chefvolkswirt.
Krämer erwartet allerdings, dass die Karlsruher Verfassungsrichter zunächst eine einstweilige Verfügung gegen das Gesetz erlassen und später in der Hauptsache entscheiden werden. Das wird die Umsetzung des EU-Aufbaufonds erheblich verzögern. Als Orientierungsgrößen nennt Krämer die Verhandlungen über den Vertrag von Lissabon (sechs Monate) und über den Euro-Rettungsfonds ESM (drei Monate)
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March 30, 2021 04:48 ET (08:48 GMT)
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