
DJ IfW: In Chinas Krediten viele Klauseln zulasten der Entwicklungsländer
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Chinas Kreditvergabepraxis an Entwicklungsländer enthält laut einer neuen Studie weitreichende Klauseln zulasten der Schuldnerstaaten und anderer internationaler Geldgeber. "Chinesische Banken positionieren sich bewusst als vorrangige Gläubiger und schränken die Handlungsoptionen der Schuldnerländer im Falle einer Zahlungsunfähigkeit teilweise stark ein", erklärte das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Der Schuldendienst sei zudem "oft durch Auslandskonten und Projekteinnahmen abgesichert".
Einem Forschungsteam unter Beteiligung des IfW sei erstmals der Zugang zu 100 Originalverträgen chinesischer Gläubiger und damit die Enthüllung bisher unbekannter Details über Chinas Kreditvergabepraxis an Entwicklungsländer gelungen, erklärte das Institut. Die Kontrakte enthielten ungewöhnliche Geheimhaltungsbestimmungen sowie Klauseln, die zulasten anderer internationaler Geldgeber gingen.
"Durch die Belt and Road Initiative ist China zum größten öffentlichen Gläubiger für Entwicklungsländer aufgestiegen, die finanzierenden Staatsbanken treten als sehr versierte Kreditgeber auf, die ihre Verhandlungsmacht gekonnt zu ihrem Vorteil ausnutzen", sagte IfW-Forschungsdirektor Christoph Trebesch als Mitautor der Studie. Die Auswertung von Originalverträgen chinesischer Kredite sei die bislang erste systematische Analyse der rechtlichen Konditionen von Chinas Kreditvergabe im Ausland. Die Verträge hätten sich auf Regierungswebseiten der Schuldnerländer gefunden und seien "offensichtlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt" gewesen.
Immer strengere Geheimhaltungsklauseln
Den Angaben zufolge wurden für die Studie die chinesischen Kreditverträge mit 142 öffentlich zugänglichen Verträgen anderer großer Gläubigerländer verglichen. Chinas Verträge enthalten demnach ungewöhnlich weitreichende Vertraulichkeitsklauseln, die Kreditnehmer daran hindern, die Bedingungen oder manchmal sogar die Existenz der Kredite offenzulegen. Dabei hätten Chinas Verträge im Laufe der Zeit immer strengeren Geheimhaltungsklauseln unterlegen. Seit 2014 enthalte jeder untersuchte Vertrag eine Vertraulichkeitsklausel.
Die Verträge enthielten auch Bestimmungen, die chinesischen Staatsbanken Vorrang vor anderen Gläubigern geben. Fast ein Drittel der Verträge verlangte von den kreditnehmenden Ländern, erhebliche Barguthaben auf Bank- oder Treuhandkonten zu halten, die chinesische Banken im Falle eines Zahlungsausfalls beschlagnahmen können. Diese informellen Sicherheitsvereinbarungen setzten die chinesischen Kreditgeber an die Spitze der Rückzahlungslinie, da die Banken auf die Konten ihrer Kreditnehmer zugreifen könnten, um unbezahlte Schulden einzutreiben.
In den meisten Verträgen sei den Kreditnehmern auch ausdrücklich untersagt worden, ihre Schulden in Abstimmung mit anderen Gläubigern umzustrukturieren. Die Verträge gäben China auch einen großen Spielraum, Kredite zu kündigen oder die Rückzahlung zu beschleunigen, wenn es mit der Politik eines Kreditnehmers nicht einverstanden ist. So behandele die China Development Bank den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu China als ein "Ausfallereignis", so das IfW. "Chinas Praktiken erschweren es Ländern, die sich beispielsweise aufgrund der Corona-Pandemie in einer finanziellen Notlage befinden, ihre Schuldensituation in den Griff zu bekommen", betonte Trebesch.
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March 31, 2021 04:14 ET (08:14 GMT)
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