DJ MARKT-AUSBLICK/Aktien in der nächsten Etage - DAX Richtung 18.000
Von Herbert Rude
FRANKFURT (Dow Jones)--Wer in den vergangenen Jahren am deutschen Aktienmarkt lediglich auf Kursgewinne schaute, der konnte schnell die Lust an Aktieninvestments verlieren. Wer vor gut 21 Jahren 1.000 Euro in den DAX investierte und die Dividenden einfach nur für seinen Konsum ausgab, dessen Investment war Anfang dieser Woche gerade einmal 1.020 Euro wert, trotz eines DAX auf Allzeithoch, wie einer meiner Kollegen errechnet hat. Deutlich besser angelegt gewesen wäre das Geld im S&P-500: Dort hätte sich ein Investment von 1.000 Dollar in der gleichen Zeit in etwa verzweieinhalbfacht.
Nun sollte man zwar keine Äpfel mit Birnen vergleichen. Zum einen hat der Euro seit März 2000 um etwa 20 Prozent aufgewertet. Und zum anderen hat der Investor am US-Markt weniger Dividenden für den Konsum zur Verfügung gehabt. Denn US-Unternehmen sind traditionell stärker an kurstreibenden Aktienrückkäufen interessiert als an Dividenden. Trotzdem war ein Engagement in US-Aktien seit der Jahrtausendwende attraktiver als ein Investment in Europa oder in Deutschland - und das auch inklusive Dividenden. Sogar währungsbereinigt ist der S&P-500 plus Dividenden seit dem Zwischenhoch im März 2000 fast doppelt so stark gestiegen wie der DAX, in dem die Dividenden ja enthalten sind.
Doch nun bahnt sich eine Zeitenwende an. Denn der deutsche Aktienmarkt hat in der nun ablaufenden Woche die Kurs-Etage der vergangenen beiden Dekaden auf der Oberseite verlassen und richtet sich ein Stockwerk höher ein. Das zeigt nicht der DAX, sondern der KDAX, der Kurs-DAX ohne Dividenden. In ihm sind gerade 21 Jahre Seitwärtsbewegung zu Ende gegangen. Denn am Dienstag hat er mit einem neuen Allzeithoch die seit dem Jahr 2000 etablierte Widerstandszone zwischen 6.250 und 6.450 Punkten überwunden. Den neuen Rekordstand markierte er soeben bei 6.495 Punkten.
Wenn an den Aktienmärkten so ein 20 Jahre alter Deckel gesprengt wird, dann folgt für gewöhnlich mehr, dann hat eine Neubewertungsphase begonnen. Kurzfristig mag der KDAX überkauft sein. Für die kommenden Jahre sind nun aber weitere 20 bis 25 Prozent nach oben drin und damit KDAX-Stände um 8.000 Punkte, wie die Entwicklung nach ähnlichen Ausbrüchen in der Vergangenheit zeigt. Für den "normalen" DAX-Performance-Index würde das auf ein Potenzial bis in den Bereich zwischen 18.000 und 19.000 Punkten hinauslaufen.
Auch Europa zeigt Stärke
Gestützt wird das Bild vom breiten europäischen Markt, der vom Stoxx-600 wiedergegeben wird. "Europa zeigt Stärke, gerade auch im Vergleich zu den USA", sagt Thomas Bopp vom Magazin Traders'. Der Stoxx-600 steht nun unmittelbar unter dem Rekordstand von 434 Punkten vom Februar 2020. Folgt er dem KDAX, würde auch er in eine Neubewertungsphase eintreten. Längerfristig wäre dann aus technischer Sicht ein Anstieg über 500 Punkte möglich.
"Im Prinzip gibt es zwei Szenarien", sagt Achim Matzke von der Commerzbank: Da der Stoxx-600 aus einer überkauften Lage das Allzeithoch attackiere, könnte er nun erst einmal um den Rekordstand konsolidieren und dann aus einer neutraleren Lage heraus später nach oben angreifen. Andererseits sei die Marktbreite gut und die Aufwärts-Rotation intakt. Von daher sei auch ein Anstieg aus der überkauften Lage heraus möglich.
Keine Euphorie - trotz höchstem Wachstumspotenzial seit Jahrzehnten
Eher Chancen als Risiken zeigt das Sentiment auf: Von Euphorie ist nichts zu sehen, wie die neue Sentiment-Umfrage der Deutschen Börse zeigt. Der Kursanstieg sei an den institutionellen Investoren zum großen Teil vorbeigegangen, so Joachim Goldberg, Analyst für Behavioral Finance. Und auch aus saisonaler Sicht stehen die Ampeln auf Grün: Der April gilt gemeinhin als einer der stärksten Börsenmonate überhaupt, vermutlich wegen der Dividendenkäufe vor den näher rückenden Hauptversammlungen.
Sicherlich wird es nun nicht wie an der Schnur gezogen Richtung 18.000 Punkte im DAX gehen. Das ist ein längerfristiges Ziel. Zwischenzeitlich könnten zum Beispiel Störmanöver von der Zinsseite immer wieder Rücksetzer auslösen. Brechen werden sie die Hausse allerdings kaum, denn dazu ist das Wachstumsumfeld zu günstig: "Das globale Wachstum dürfte so stark ansteigen wie seit Jahrzehnten nicht mehr", sagt Brian Nick, Anlagestratege beim US-Vermögensverwalter Nuveen. Er legt den Schwerpunkt zunächst auf Finanzwerte und Konsumgüterhersteller, aber auch auf Industriewerte, die von den Infrastrukturprogrammen profitieren.
In der kurzen nachösterlichen Woche steht am Mittwoch das Protokoll der jüngsten Sitzung der US-Notenbank im Blick. Am Donnerstag erwarten den Markt neue Daten zum deutschen Auftragseingang, und am Freitag stehen Zahlen zur Industrieproduktion in Deutschland und Frankreich auf der Agenda.
DJG/hru/cln
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April 01, 2021 06:59 ET (10:59 GMT)
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