
DJ Rechnungshof-Präsident verlangt Rückkehr zu solider Budgetpolitik
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, hat gefordert, die staatliche Handlungsfähigkeit nach der Coronavirus-Pandemie zurückzugewinnen. "Ohne strukturelle Reformen wird es nicht gelingen, die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie zu beheben", erklärte Scheller nach Angaben der Behörde in seiner Eigenschaft als Bundesbeauftragter für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zur Lage der Bundesfinanzen. Die explodierenden Schulden zwängen zu konkreten fiskalischen Maßnahmen und Reformen.
"Die Bundesfinanzen sind weiter im Klammergriff der Corona-Pandemie", erklärte Scheller. "Die gewaltige Schulden-Lawine verhindert ein Herauswachsen aus dem Defizit." Die Zinsen könnten nicht weiter fallen, und eine Rückkehr zu stetig steigenden Steuereinnahmen wie vor der Krise sei nicht zu erwarten. "Jetzt rächt sich das Ausbleiben notwendiger Reformen in den Jahren nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise", konstatierte er. Die vorhandenen Spielräume seien nicht ausreichend für zukunftsrelevante Schwerpunkte genutzt worden. "Heute stehen sie nicht mehr zur Verfügung."
Der jüngste Eckwertebeschluss der Regierung zum Budget legt nach Ansicht des Rechnungshof-Präsidenten "schonungslos offen, auf welch tönernen Füßen der Bundeshaushalt steht". Die Budget- Beschlüsse der Regierung in der Krise seien von geringer Haltbarkeit. Von 2020 bis 2022 nehme der Bund mehr neue Kredite auf als in den 20 Jahren zuvor, und in der Finanzplanung gebe es für 2023 bis 2025 erhebliche Lücken. Absehbare Finanzbedarfe bei Verteidigung oder der wirtschaftlichen Zusammenarbeit seien nicht berücksichtigt. Die Regierung hinterlasse "Lasten mit vielen Fragezeichen".
Der Rechnungshof empfehle daher, "sich zurückzubesinnen auf eine solide geplante und finanziell nachhaltige Haushaltspolitik". Es gelte, den Haushalt auf mittelfristige Sicht zu stabilisieren. Er sei aber in einer deutlich schlechteren Verfassung als nach der Finanzkrise - trotz der noch niedrigeren Schuldenquote. Ein Herauswachsen aus der Verschuldung allein durch Wachstum sei unrealistisch. Anders als 2010 seien die Zinsen schon ganz unten, und auch am Arbeitsmarkt könne der Bund keinen Handlungsspielraum mehr gewinnen. Mit einem schnellen und stetigen Zuwachs der Steuereinnahmen könne er ebenso wenig rechnen. Zudem sei die Wirtschaft viel breiter getroffen als damals.
Die Bundesregierung müsse daher "proaktiv handeln und den Haushalt entschlossen stabilisieren sowie nachhaltig konsolidieren" - unter anderem durch die kritische Überprüfung steuerlicher Subventionen und Vergünstigungen, eine bessere Ausrichtung der Sozialtransfers, ein haushaltspolitisches Priorisieren sowie eine wirksame Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug. Dabei müsse die Schuldenbremse uneingeschränkt bestehen bleiben. Ihre Abschaffung oder Aufweichung würde "auf lange Sicht die Tragfähigkeit der Bundesfinanzen gefährden", warnte Scheller, der laut Rechnungshof dem Bundestags-Haushaltsausschuss seinen entsprechenden Bericht übersandt hat.
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April 08, 2021 08:38 ET (12:38 GMT)
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