DJ Ex-EZB-Chefvolkswirt Praet warnt vor Folgen hoher Staatsverschuldung
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Peter Praet, hat vor unliebsamen Auswirkungen der hohen Staatsverschuldung für die Geldpolitik gewarnt. Wie aus einem Beitrag der Zeitschrift Politico hervorgeht, befürchtet Praet offenbar, dass die EZB ihre Zinsen trotz steigender Inflation nur langsam anheben wird, weil die Finanzminister hoch verschuldeter Euro-Länder sie davon abzubringen versuchen.
"Wie werden sie reagieren? Werden sie zögern und auf mehr Beweise warten? Wird es eine Verzögerung der normalen Reaktionsfunktion geben?", sagte Praet in einem Interview und fügte hinzu: "Meine Erwartung ist, dass sie zu ihrem Mandat stehen werden. Aber ob sie es wirklich tun, werden wir erst sehen, wenn es so weit ist."
Die Verschuldung der Euro-Staaten wird sich wegen der Corona-Krise deutlich erhöhen und im Falle Italiens auch ein außergewöhnliches Niveau erreichen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hebt immer wieder hervor, wie wichtig eine Kooperation von Geld- und Fiskalpolitik sei. Die von ihre vertretene Maxime, dass die Finanzierungsbedingungen für alle Akteure, auch die Regierungen, günstig sein müssten, hat zuletzt zu einer Beschleunigung der Staatsanleihekäufe geführt. Höhere Käufe drücken die Renditen der Staatsanleihen und senken die Finanzierungskosten der Staaten.
Praet formulierte seine Befürchtungen zusammen mit seinen beiden Amtsvorgängern Jürgen Stark und Otmar Issing. Seine Skepsis ist allerdings besonders bemerkenswert, weil Praet mit seinen volkswirtschaftlichen Analysen von 2011 bis 2019 der wichtigste Verbündete von EZB-Präsident Mario Draghi bei der Durchsetzung einer lockeren Geldpolitik einschließlich des Kaufs von Staatsanleihen war.
Warnungen, dass sich die Regierungen zu sehr an das außerordentlich niedrige Zinsniveau gewöhnen könnten, kommen sonst nur regelmäßig vom deutschen EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann. Auch Issing und Stark äußern sich regelmäßig kritisch.
Die EZB rechnet derzeit damit, dass die Inflation 2021 bei durchschnittlich 1,5 Prozent liegen wird, 2022 bei 1,2 Prozent und 2023 bei 1,4 Prozent. Ihr Mandat sieht eine mittelfristige Inflation von knapp 2 Prozent vor. Neue Prognosen wird sie im Juni veröffentlichen. Analysten erwarten, dass sie zumindest ihre Prognose für 2021 anheben wird.
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May 18, 2021 07:32 ET (11:32 GMT)
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