DJ DIHK erwartet 2021 BIP-Wachstum von 3,0 Prozent
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat für das laufende Jahr ein Wachstum des deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 3,0 Prozent vorhergesagt. Grundlage für die Prognose ist die aktuelle Konjunkturumfrage der Kammerorganisation unter mehr als 27.000 deutschen Unternehmen aller Regionen und Wirtschaftszweige. "Insgesamt verbessert sich die Lage der Betriebe im Frühsommer zwar merklich, die Bewertungen liegen aber weiterhin unter dem langjährigen Durchschnitt", erklärte der DIHK dazu.
Derzeit beurteilten 32 Prozent der Befragten ihre Geschäfte als gut und 30 Prozent als schlecht. Auch die Zukunftserwartungen hellten sich etwas auf. 25 Prozent rechneten mit besseren und 24 Prozent mit schlechteren Geschäften.
Wirtschaftliche Aufholeffekte sorgten bei exportaktiven Industrieunternehmen für vorsichtigen Optimismus, zugleich herrsche wegen anhaltender Corona-Beschränkungen aber insbesondere bei den vom Lockdown betroffenen Branchen weiterhin erhebliche Zurückhaltung, so die Umfrage. Je nachdem, wie stark ihre Geschäfte von den Corona-Beschränkungen beeinträchtigt sind, schätzen die Wirtschaftsbereiche demnach die wirtschaftliche Situation sehr unterschiedlich ein. So habe sich die Geschäftslage in den vom Lockdown betroffenen Branchen im Vergleich zum Jahresbeginn teilweise weiter verschlechtert. Das gilt den Angaben zufolge etwa für Betriebe aus Kunst, Kultur und Erholung, von denen 81 Prozent schlechte Geschäfte meldeten.
Historisch schlecht bleibe die Lagebewertung dort, wo die Aktivitäten weitgehend ruhen müssten: 86 Prozent der Gastronomen, 92 Prozent der Beherbergungsbetriebe und 94 Prozent der Reisevermittler berichteten von schlechten Geschäften. Dagegen verbessere sich die Lage der Industrieunternehmen im Durchschnitt deutlich - eine kräftige positive Tendenz zeigt sich laut der Umfrage etwa bei Unternehmen aus dem Maschinenbau, dem Fahrzeugbau oder der Elektrotechnik. Auch Vorleister wie die chemische Industrie, Betriebe der Gummi- und Kunststoffindustrie sowie der Metallerzeugung und -bearbeitung zeigten sich optimistischer.
Ein möglicher Grund sei die konjunkturelle Erholung in wichtigen Absatzmärkten wie China und den USA, die die Nachfrage nach deutschen Produkten ankurble. So verliere die Auslandsnachfrage als Risiko mit 37 Prozent nach 50 Prozent zu Jahresbeginn deutlich an Bedeutung. Die Exporterwartungen fielen erneut zuversichtlicher aus, ein Drittel der Unternehmen rechne mit einer Zunahme der Ausfuhren in den nächsten zwölf Monaten, 16 Prozent erwarten einen Rückgang. In der Vorumfrage gingen laut DIHK noch 21 Prozent von sinkenden Exporten aus. Die positiven Exportaussichten in der Industrie kämen laut DIHK auch dem Großhandel und den Handelsvermittlern zugute, während der verbrauchernahe und binnenmarktorientierte Einzelhandel seine Geschäftslage nochmals schlechter bewertete.
Immer mehr Knappheiten bei Energie und Rohstoffen
Als Belastung für einen breiten Wirtschaftsaufschwung kristallisierten sich vor allem hohe Preise und Knappheiten bei Energie und Rohstoffen heraus, die als Geschäftsrisiko im Vergleich zur Vorumfrage sprunghaft von 30 auf 42 Prozent angestiegen seien. Lieferengpässe, Handelsrestriktionen und eine hohe globale Nachfrage führten etwa bei Holz, Kunststoffen, Baumaterial oder Stahl aktuell zu stark steigenden Preisen. Auch Fachkräfteengpässe würden mit 43 Prozent nach 38 Prozent zu Jahresbeginn wieder deutlicher benannt. Die dominierenden Geschäftsrisiken seien aus Sicht der Unternehmen wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen zu 49 Prozent und die Inlandsnachfrage zu 48 Prozent.
Die Finanzlage der Unternehmen erholt sich nach den Angaben nur sehr langsam. Noch immer beurteilten 43 Prozent der Betriebe ihre eigene Finanzierungssituation als problematisch. Im Vordergrund ständen der Eigenkapitalrückgang mit 24 Prozent sowie Liquiditätsengpässe zu 19 Prozent. Von einer Pleite sähen sich über die Breite der Wirtschaft 5 Prozent der Unternehmen bedroht. Die angespannte Finanzlage drücke vor allem im Handel auf die Investitionsabsichten. Insgesamt glichen sich in der Umfrage expansive und restriktive Investitionspläne mit je 26 Prozent der Unternehmen aus. 16 Prozent der Unternehmen wollten zudem mehr Personal einstellen, aber 19 Prozent planten einen Abbau.
DIHK-Präsident Peter Adrian wertete die Daten insgesamt positiv, warnte aber auch vor Risiken. "Es gibt - gemessen an dem, was bereits hinter uns liegt - am aktuellen Rand immer mehr Licht im Konjunktur-Schatten", erklärte er in einem Brief an die Industrie- und Handelskammern zu der Konjunkturumfrage. Für das zweite Halbjahr gebe es Grund zum vorsichtigen Optimismus. "Aber selbst da, wo es sich stärker aufhellt, sehen wir weiterhin Risiken." Neue Risiken kämen noch hinzu. Knappheiten bei Energie und Rohstoffen trieben nicht nur die Preise, sondern sorgten bisweilen sogar schon für gravierende Engpässe dort, wo es vergleichsweise gut läuft - etwa am Bau oder in der Industrie.
"Auch wenn mit steigenden Impfquoten und sinkenden Inzidenzwerten nun wieder mehr Öffnungen möglich sind, bleiben für viele Betriebe der Lockdown und seine Folgen das nach wie vor drängendste Problem", so Adrian. Um das Überleben dieser Betriebe zu sichern, müsse die Überbrückungshilfe 3 bis Ende 2021 verlängert werden. "Die schrittweisen Öffnungen, die wir aller Voraussicht nach bald erleben werden, dürften der Wirtschaft einen merkbaren Schub geben", sagte er. Ohne mehr Zukunftsorientierung spätestens nach der Wahl sei eine kurzfristige Konsumfreude im Sommer ein Strohfeuer. Adrian verlangte "kreative Lösungen vor Ort". Es gelte, Mobilität und Kontakte zu ermöglichen, Impf- und Testnachweise praktikabel auszugestalten und eine digitale Verwaltung zu schaffen.
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May 19, 2021 05:00 ET (09:00 GMT)
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