
DJ EZB/Enria: Bankaufsichtsräte besser und weiter verbesserungswürdig
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Qualität der Aufsichtsräte von Banken im Euroraum hat sich nach Aussage des Chef der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria, in den vergangene Jahren verbessert, sie bleibt aber weiter verbesserungswürdig. "Der Prozentsatz der Aufsichtsratsmitglieder mit mehr als fünf Jahren Erfahrung im Bank-, Finanz- und Wirtschaftsbereich ist in den letzten Jahren gestiegen und liegt jetzt bei etwa 80 Prozent", sagte Enria laut Redetext bei einem Seminar der Florence School of Banking and Finance.
Die Europäische Zentralbank (EZB) geht laut Enria nicht davon aus, dass dieser Anteil noch deutlich steigen wird, da andererseits eine gewisse Diversität bei den beruflichen Hintergründen angestrebt werde. "Meiner Meinung nach ist es besonders relevant, dass sich die Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder mit solider Erfahrung in der IT zwischen 2017 und 2020 fast verdoppelt hat - dies spiegelt auch die jüngsten Digitalisierungsbemühungen der Banken wider", sagte Enria.
Die europäischen Banken schaffen laut Enria in ihren Aufsichtsräten auch Platz für mehr formal unabhängige Mitglieder, wobei der Anteil in Bezug auf nicht geschäftsführende Mitglieder von rund 55 Prozent im Jahr 2017 auf fast 70 Prozent Ende 2020 gestiegen ist. "Erfahrene, unabhängige Mitglieder, die in der Lage sind, eine kritische Debatte über strategische Entscheidungen zu fördern und den Vorstand herauszufordern, tragen direkt dazu bei, die Widerstandsfähigkeit einer Bank gegenüber Herausforderungen zu erhöhen", sagte der Chef-Bankenaufseher.
Gleichzeitig helfe ihr Engagement den Banken dabei, den Wandel zu bewältigen, der mit der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft und der Bewältigung der Klimakrise einhergehen werde. "Ein effektiver Aufsichtsrat ist zu jeder Zeit wichtig, wird aber in Krisenzeiten absolut entscheidend, und die Banken scheinen sich dessen bewusst zu sein", befand Enria.
Enria beließ es aber nicht bei solchem Lob. "Leider und trotz der beobachteten Fortschritte ist die Überwachungskapazität der Aufsichtsräte in den meisten Banken immer noch nicht stark genug", sagte er. Obwohl der Anteil formal unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder gestiegen sei, machen sie immer noch nur 15 Prozent der meisten Aufsichtsräte aus.
"Dies hat die Qualität der Debatte über die während der Pandemie getroffenen Entscheidungen der Geschäftsleitungen beeinträchtigt und könnte die Qualität künftiger Entscheidungen beeinträchtigen, nicht nur bei Themen, die mit dem Coronavirus zusammenhängen", warnte er. Das betreffe auch Themen wie Kreditrisikomanagement, Kapitalplanung, und Fragen, die die Nachhaltigkeit der Banken aus geschäftlicher Sicht in den kommenden Jahren bestimmen würden.
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May 28, 2021 08:05 ET (12:05 GMT)
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