DJ Studie: Ein Viertel der Arbeit ist gut im Home Office zu erledigen
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Möglichkeiten des Arbeitens zu Hause (Home Office) werden laut einer Studie der Technischen Universität Darmstadt in Deutschland derzeit überschätzt. In einer Umfrage unter 2.000 Mitarbeitern kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass sich nur rund 25 Prozent der Arbeiten effektiv zu Hause erledigen lassen - jedenfalls unter den aktuellen Rahmenbedingungen. Die Studie zeigt, dass die Perspektiven für Home Office stark von der Art der Arbeit, den persönlichen Eigenschaften und dem Wohnumfeld abhängen.
Laut der Umfrage haben 60 Prozent der Befragten günstige persönliche Eigenschaften für Home Office, 60 Prozent haben eine geeignete Tätigkeit und 60 Prozent positive räumliche Voraussetzungen. "Der Schnittbereich dieser drei Kreise zeigt, dass wir rund 25 Prozent aller Arbeitsaufgaben aus heutiger Sicht gut zu Hause erfüllen können", sagt Studienleiter Andreas Pfnür, Leiter des Fachgebiets Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre an der TU Darmstadt.
Das passt zu dem Umfrageergebnis, dass schon vor der Corona-Pandemie 25 Prozent der Arbeit zu Hause erledigt wurden - "oft wohl ohne das Wissen des Arbeitgebers", wie Pfnür anmerkt. Während der Pandemie stieg die Home-Office-Quote auf bis zu 80 Prozent. Die Prognose der Mitarbeiter für die Zeit nach Corona: 25 Prozent. Die Pandemie-Erfahrung führt so gesehen also zu keinem nachhaltigen Anstieg der Home-Office-Nutzung.
Bis zu 40 Prozent der Beschäftigten arbeiten laut der Umfrage zu Hause nach eigener Einschätzung weniger effektiv als im Büro. Im Mittel betrachten sich aber 11 bis 14 Prozent von ihnen als produktiver, wobei es bei den Antworten eine Streuung von bis zu 32 Prozent gibt. "Die Gewissenhaften und die Verträglichen können besonders gut zu Hause arbeiten - das ist ungefähr die Hälfte der Arbeitenden", merkt Pfnür an. Einfluss habe aber auch die Art der Arbeit. So arbeiteten jüngere Mitarbeiter häufiger in Teams, bräuchten mehr Anleitung und wohnten nicht zuletzt beengter als leitende Mitarbeiter. Eine Rolle spiele hier auch die IT-Kompetenz.
Pfnürs Fazit: "Die Unternehmen müssen sich genau überlegen, wen sie zu Hause arbeiten lassen und wen nicht." Wichtig ist aus seiner Sicht aber, dass der Staat den Unternehmen dabei freie Hand lässt und keine bürokratischen Monstren schafft. Dann könne es der Wirtschaft gelingen, das ungeheure Produktivitätspotenzial zu heben, das Home Office berge. Denn nach seiner Aussage hat die Produktivität während der Corona-Krise um 14 Prozent zugenommen. "Für einen Produktivitätsfortschritt dieser Größenordnung brauchen wir normalerweise zwei Konjunkturzyklen", sagte er.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist laut Pfnür dabei Freiwilligkeit: "Man darf keinen Mitarbeiter nach Hause schicken, der da nicht hin will." Er rät Unternehmen davon ab, ganz ohne Büroimmobilie auskommen zu wollen. "Die paar Euro, die sie bei der Immobilie sparen, verlieren sie ganz schnell, wenn die Produktivität sinkt."
Wenn sich aber beide Seiten einig seien, und das sei bemerkenswert oft der Fall, dann könne Home Office in den nächsten Jahren dabei helfen, den Fachkräftemangel zu beheben. "Es kann Teilzeit gearbeitet werden, es kann Arbeitsweg eingespart werden, es können Betreuungsaufgaben besser erledigt werden, Arbeiten über Altersgrenze hinaus wird einfacher und auch selbstbestimmtes Arbeiten", sagt Pfnür.
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June 01, 2021 07:37 ET (11:37 GMT)
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