
DJ ESRB warnt vor Stabilitätsrisiken durch niedrige Zinsen
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Systemrisikorat ESRB (European Systemic Risk Board) hat vor den Risiken für die Finanzstabilität gewarnt, die sich aus dem voraussichtlich noch länger anhaltenden niedrigen Zinsniveau ergeben. In seinem aktuellen Bericht weist er auf vier Problemfelder hin, die sich durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch verschärfen dürften. Zu den Vorschlägen des ESRB zählt unter anderen der, die Möglichkeiten zur Überwälzung des Negativzinses auf Bankkunden durch Gesetzesänderungen zu verbessern.
Dies sind die Problemfelder und die dazu gehörigen Vorschläge des ESRB:
1. Profitabilität und Widerstandsfähigkeit der Banken
Das Niedrigzinsumfeld verstärkt die negativen Auswirkungen der bestehenden strukturellen Probleme im EU-Bankensektor, einschließlich Überkapazitäten und Kostenineffizienzen. Es ist laut ESRB notwendig, unrentable Banken zu identifizieren und Probleme frühzeitig durch eine Intervention oder einen geordneten Marktaustritt zu bewältigen. Die Rentabilität muss verbessert, die strukturellen Ursachen des Overbankings angegangen werden.
Empfehlungen des ESRB:
-Überkapazitäten angehen, indem potenzielle Hindernisse für eine Konsolidierung und Restrukturierung des Sektors beseitigt werden
-Handlungsrahmen für den Umgang mit schwachen Banken überdenken
-Anreize für Banken zur digitalen Transformation und einer höheren Kosteneffizienz überprüfen
-Rechtliche Hindernisse für die Anwendung negativer Zinsen auf Einlagen überdenken
2. Verschuldung und Lebensfähigkeit von Kreditnehmern
Niedrige Zinsen ermöglichen eine größere Fremdfinanzierung und geben Anreiz für eine Jagd nach Rendite. Da hoch verschuldete Unternehmen anfällig für Schocks sind, müssen zur Sicherung der Finanzstabilität die Kapazitäten zur Überwachung der Verschuldung und jener Faktoren geschaffen werden, durch die die Verschuldung nicht tragfähig werden könnte. Lebensfähige Unternehmen müssen früh genug restrukturiert werden. Effiziente Insolvenzverfahren sollten dafür sorgen, dass nicht lebensfähige Unternehmen zügig abgewickelt und Ressourcen für produktive Zwecke umgeschichtet werden können.
Empfehlungen des ESRB:
-Kapazitäten zur Beobachtung von Kreditvergabe und Verschuldung aufbauen
-Instrumente entwickeln, mit denen eine hohe Verschuldung von Unternehmen verhindert oder gelöst werden kann
-Entwicklung eines kreditnehmerseitigen Instrumentariums für den Umgang mit Haushalten
3. Systemische Liquiditätsrisiken
Unabhängig vom globalen Liquiditätsniveau im Finanzsystem kann Marktliquidität unter Stress "verdampfen". Das Niedrigzinsumfeld und strukturelle Veränderungen haben zu einem Finanzsystem geführt, das über drei Transmissionskanäle von Marktschocks und systemischen Liquiditätsrisiken getroffen werden kann: endogener Risikoaufbau, Liquiditätsillusion und Verflechtungen innerhalb des Finanzsystems. Dies wurde durch die Liquiditätsprobleme während der Turbulenzen im März 2020 bestätigt.
Empfehlungen des ESRB:
-Berichtswesen zu Liquidität ausbauen, bereits verfügbare Daten besser nutzen
-Systemweite Liquiditätsstresstests
-Makroprudenzielle Liquiditätsanforderungen
4. Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle von Versicherern und Pensionsfonds mit langfristigen Zahlungsverpflichtungen
Die Geschäftsmodelle dieser Akteure sind laut ESRB durch das Niedrigzinsumfeld stark unter Druck geraten.
Empfehlungen des ESRB:
-In die Überprüfung des Liquiditätsstandards Solvency 2 makroprudenzielle Maßnahmen für Versicherer einbeziehen
-Schaffung eines Sanierungs- und Abwicklungsrahmens für Versicherer
-EU-weiter Beobachtungsrahmen für Niedrigzinsrisiken von Lebensversicherern und Pensionsfonds (ICPF)
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
DJG/hab/mgo
(END) Dow Jones Newswires
June 01, 2021 10:22 ET (14:22 GMT)
Copyright (c) 2021 Dow Jones & Company, Inc.