DJ MARKT-AUSBLICK/EZB könnte Weg für neue Allzeithochs frei machen
FRANKFURT (Dow Jones)--Der DAX ist auf ein neues Allzeithoch gestiegen. Ob er dieses Kursniveau wird halten oder sogar ausbauen können, dürfte entscheidend von der geldpolitischen Entscheidung der EZB in der kommenden Woche abhängen. Eine Minderheit von Analysten glaubt, dass die EZB eine Reduzierung der PEPP-Anleihekäufe signalisieren werde. Sollte die EZB das nicht tun, könnte das an den Börsen mit steigenden Notierungen quittiert werden. Die größten Risiken für die hiesigen Märkte gehen aber von der Wall Street aus.
Die geldpolitische Sitzung der EZB in der kommenden Woche hat durchaus das Potenzial, die Börsen zu bewegen. Dafür sprechen die unterschiedlichen Erwartungen der Anleger über deren Ausgang. So rechnet etwa Goldman Sachs damit, dass der EZB-Rat beschließen werde, das monatliche Tempo seiner Anleihekäufe unter dem Pandemiekaufprogramm PEPP im dritten Quartal leicht zu bremsen. Morgan Stanley glaubt dagegen, dass die EZB die PEPP-Käufe mit einem erhöhten Monatsvolumen (von 80 bis 90 Milliarden Euro) fortführen werde.
Andere Zentralbanken haben ihre Käufe bereits reduziert
Da die Impfkampagnen inzwischen zügig voranschritten und viele Länder ihre Lockdown-Maßnahmen zurückführen, habe es zuletzt, so die Commerzbank, von einigen Zentralbanken Signale gegeben, dass ihre geldpolitischen Notfallmaßnahmen bald enden könnten. Der Vizepräsident der Fed, Clarida, hat für die kommenden Sitzungen eine Diskussion über eine Reduzierung der Anleihekäufe angekündigt, die Bank of Canada hat ihre Käufe bereits reduziert und die Bank of England hat signalisiert, dass sie sie später in diesem Jahr beenden dürfte.
"Kein Wunder also, dass an den Märkten spekuliert wurde, dass von der EZB bald ähnliche Signale kommen könnten", kommentiert die Commerzbank. Hiermit sei allerdings nicht zu rechnen. Denn auch als Folge dieser Spekulationen seien die Renditen von Staatsanleihen im Euroraum nochmals moderat um etwa 20 Basispunkte gestiegen. Dies habe viele Tauben im EZB-Rat alarmiert, allen voran EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Lagarde ist der Meinung, dass es viel zu früh sei, eine Verringerung der PEPP-Käufe ins Spiel zu bringen.
Auch durch den gestiegenen Inflationsdruck wird sich die EZB kaum beirren lassen - genausowenig wie von der sich stärker als erwartet erholenden Wirtschaft. Zwar sollten die deutschen Aufragseingänge im April nur moderat gestiegen sein. Das dürfte nach Einschätzung von Analysten aber vor allem an mangelnden Vorprodukten liegen. Dies wiederum wird wohl zur Folge haben, dass die ebenfalls in der kommenden Woche zur Veröffentlichung anstehende Industrieproduktion nur moderat zugelegt hat.
Unternehmensgewinne erholen sich kräftig
Sollte die EZB in der kommenden Woche das Kauftempo also beibehalten, stehen die Chancen auf neue Allzeithochs im DAX gut. Schnell könnte sich dann Anschlusspotenzial Richtung 16.000 Punkte ergeben. Daran dürften auch die hohen Bewertungen im DAX nichts ändern. Denn die Unternehmensgewinne erholen sich kräftig, und dieser Trend sollte sich im zweiten Quartal fortsetzen, auch wenn die chinesische Wirtschaft nach der starken Rally erste Ermüdungserscheinungen erkennen lässt.
Die größten Gefahren drohen den hiesigen Märkten sicherlich durch die US-Börsen. Die Inflation in den USA ist in den vergangenen Monaten viel stärker als erwartet gestiegen. Zwar tut die US-Notenbank den Preisdruck bislang als vorübergehend ab, aber auch aus den eigenen Reihen kommen zunehmend kritische Stimmen. Eine Reduzierung der Wertpapiere durch die Fed würde die Märkte weltweit durcheinander wirbeln. Gerade für den S&P-500 könnte es eng werden, der in der Zwischenzeit ein stolzes Kurs-Buchwert-Verhältnis von über 4 aufweist.
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June 04, 2021 07:27 ET (11:27 GMT)
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