DJ Gauweiler droht mit neuer Verfassungsbeschwerde
FRANKFURT (Dow Jones)--Der ehemalige CSU-Politiker Peter Gauweiler droht im Streit um die Macht des Bundesverfassungsgerichts in Europa mit einer neuen Verfassungsbeschwerde. Anlass ist das Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission am Mittwoch gegen Deutschland wegen des umstrittenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) eingeleitet hat. Damit überschreite die Kommission ihre Kompetenzen, handele also "ultra vires". Die Bundesregierung müsse das Vertragsverletzungsverfahren "ausnahmslos zurückweisen", forderte Gauweiler im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Mai 2020 das vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gebilligte EZB-Anleihekaufprogramm PSPP in Teilen als verfassungswidrig eingestuft. Die Verfassungsrichter entschieden, dass die EZB ihre Beschlüsse nicht umfassend begründet und der EuGH das Vorgehen nicht ausreichend geprüft habe. Sie stellten deshalb kompetenzwidrige Beschlüsse fest und forderten die EZB auf, die Verhältnismäßigkeit des Programms binnen drei Monaten zu begründen.
Die EU-Kommission hatte daraufhin am 9. Juni angekündigt, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten. Sie gehe "wegen der Verletzung grundlegender Prinzipien des EU-Rechts" gegen Deutschland vor. Dabei gehe es auch um die "Beachtung der Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs". Im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens hat nun die Bundesregierung Gelegenheit zur Stellungnahme.
Nach Ansicht von Gauweiler gibt es nur eine Möglichkeit: Die Regierung müsse dieses Verfahren "ausnahmslos zurückweisen". Sie habe diesbezüglich keinerlei Ermessen, könne sich also auch nicht auf einen Kompromiss mit Brüssel einlassen, auf den jetzt viele hofften. Denn die Bundesregierung sei im laufenden Vertragsverletzungsverfahren durch ihre Pflicht zur Verteidigung der deutschen Verfassungsidentität gebunden. "Ich habe heute meinen Prozessvertreter, Herrn Prof. Dr. Dietrich Murswiek, beauftragt, bei einer unzureichenden Wahrnehmung dieser vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verpflichtung durch die Bundesregierung oder andere Organe des Bundes erneut Verfassungsbeschwerde einzureichen", sagte Gauweiler der Zeitung.
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June 10, 2021 10:47 ET (14:47 GMT)
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