
DJ Merkel: Politisch erwirkte Freigabe der Impfstoff-Patente falscher Weg
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in der Coronavirus-Pandemie vor aufkommenden Varianten wie der Delta-Variante gewarnt. "Deshalb müssen wir den Weg aus der Pandemie weiter mit Augenmaß gehen", mahnte sie im Bundestag in einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel. "Wir bewegen uns auf dünnem Eis." Erneut sprach sich die Kanzlerin aber gegen eine Freigabe der Patente für die Corona-Impfstoffe aus. Vielmehr gelte es, die Lizenzproduktion auszuweiten. "Eine politisch erwirkte Freigabe der Patente halte ich dagegen für den falschen Weg", machte Merkel klar.
Auch künftig müssten Impfstoffe entwickelt werden. "Das wird nur gelingen, wenn der Schutz geistigen Eigentums nicht außer Kraft gesetzt wird, sondern gewahrt bleibt", sagte die Kanzlerin. Sie mahnte zudem eine bessere Koordination der Kontrollen bei Einreisen aus Virusvariantengebieten an und forderte, die Wiederaufbaupläne aller EU-Länder müssten "zukunftsorientiert aufgesetzt" werden: "Wir müssen den Aufbau nutzen, um die Weichen für die Zukunft Europas zu stellen." Erst mit dem Übergang zu einer "digitalisierten, grünen Wirtschaft" werde Europa wirklich zukunftsfähig sein.
Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen bei ihrem Gipfel am Donnerstag und Freitag auch über die neuen Herausforderungen bei der Coronavirus-Pandemie durch die Delta-Variante sprechen. Bei dem Gipfel sollen auch die Beziehungen zur Türkei und zu Russland erörtert sowie über die wirtschaftliche Erholung in den EU-Ländern gesprochen werden. Danach soll es bei einem Euro-Gipfel im so genannten "inklusiven Format" mit allen 27 Staaten auch um Fortschritte bei der Bankenunion und der Kapitalmarktunion gehen.
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) betonte in der Debatte, im Zusammenhang mit der Kreditaufnahme der EU für den Wiederaufbau sei es wichtig, "dass die aufgenommenen Kredite auch zurückgezahlt werden, und dass es eigene Einnahmen der Europäischen Union geben soll, um diese Kreditaufnahme zurückzuführen". Das seien zwei Entscheidungen für eine stärkere Souveränität Europas. Scholz nannte dies einen "Paradigmenwechsel". Der wirtschaftliche Aufschwung sei Ergebnis der gemeinsamen Krisenbekämpfung, konstatierte der Bundesfinanzminister.
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June 24, 2021 04:33 ET (08:33 GMT)
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