DJ Angeloni: EZB-Reaktion auf fiskalische Notlagen erleichtern
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Ignazio Angeloni, ein ehemaliges Mitglied der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) wünscht sich für die EZB mehr Flexibilität bei der Reaktion auf fiskalische Notlagen in einzelnen Euro-Ländern. In einem Beitrag für den Think Tank Omfif schreibt der Ökonom, Mario Draghis berühmtes "What ever it takes"-Statement habe die Bewahrung des Euro effektiv zu einem Ziel der EZB gemacht, von dem andere EZB-Präsidenten wahrscheinlich nicht zurücktreten wollten. Doch dazu brauche es die Unterstützung der Regierungen.
"Die Erklärung von 2012 war eine Notfallreaktion, die unter besonderen Bedingungen angewendet wurde und nur schwer zu wiederholen sein wird. Der Mechanismus, der diese potenzielle Krise abgewendet hat, sollte für andere Situationen verfügbar gemacht werden", so Angeloni, der heute Senior Fellow an der Harvard Kennedy School und am Leibniz Institute for Financial Research Safe ist.
Angeloni ist der Ansicht, dass im Euroraum neue Spannungen zutage treten werden, sobald die umfangreichen Käufe der EZB auslaufen. "Die Zentralbank kann diesen Spannungen entgegenwirken, aber um dies glaubwürdig und effektiv zu tun, braucht sie die Unterstützung der Regierungen", schreibt Angeloni. Das sei eine politische Frage, die aber auch die Strategie der Zentralbank betreffe.
Angeloni zufolge müssen die Bedingungen, die Interventionen der Zentralbank auslösen, flexibler gestaltet werden, ohne dass dabei die Konditionalität aufgegeben wird. "Haushaltsregeln sind ein wesentlicher Teil des Designs, aber die Zentralbank sollte auch einen Schritt nach vorne machen und anerkennen, dass ihre Instrumente nicht immer ausreichend sind und dass die Koordination mit den Regierungen ihre Unabhängigkeit nicht schwächt, wenn sie freiwillig und im Einklang mit ihren Zielen erfolgt", argumentiert der Ökonom.
Die neue Strategie biete der EZB die Chance, alte Vorurteile zu überwinden und Offenheit für eine geldpolitische Zusammenarbeit zu signalisieren. "Damit - und nur damit - kann die Gefahr einer neuen Euro-Krise endlich und endgültig gebannt werden", urteilt Angeloni.
Das von Draghis berühmtem Satz inspirierte, aber nie umgesetzte Versprechen der EZB, im Notfall gezielt Anleihen eines Staats zu kaufen, dessen Zinsen sie für zu hoch hält (Outright Monetary Transactions - OMT), ist mit verschiedenen Voraussetzungen verbunden: Einem EU-Hilfsprogramm, das mit wirtschaftspolitischen Auflagen verbunden war und Anleihekäufen des Rettungsfonds ESM am Primärmarkt.
In der Corona-Krise beschloss der EZB-Rat, vorübergehend verstärkt Anleihen jener Staaten zu kaufen, deren Wirtschaft besonders stark von der Pandemie betroffen war. Dabei durfte die EZB vorübergehend auch mehr kaufen, als der Anteil des Landes am eingezahlten EZB-Kapital nahelegen würde. Dieses PEPP-Programm dürfte aber im Frühjahr 2022 auslaufen.
EZB-Direktor Fabio Panetta hatte sich in dieser Woche dafür ausgesprochen, der EZB dauerhaft eine gezielte Beeinflussung der Staatsanleihezinsen einzelner Euro-Länder zu ermöglichen. "Wir sollten uns bemühen, die 'unkonventionelle Flexibilität' beizubehalten, die uns während der Pandemie gute Dienste geleistet hat", sagte er.
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June 30, 2021 05:57 ET (09:57 GMT)
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