DJ Commerzbank: US-Arbeitskostenindex zuverlässiger als Stundenlöhne
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Ob der starke Inflationsanstieg in den USA nur ein vorübergehendes Phänomen ist oder ob auch längerfristig Inflationsprobleme drohen, hängt vor allem vom Lohndruck ab. Die Commerzbank-Volkswirte Bernd Weidensteiner und Christoph Balz kommen zu dem Ergebnis, dass der zuverlässigste Indikator des Lohndrucks der Arbeitskostenindex (ECI) ist - allerdings auch der langsamste. "Inwieweit sich der Lohndruck auf breiter Front verstärkt, werden wohl erst die Zahlen zum zweiten Quartal zeigen, die am 30. Juli veröffentlicht werden", schreiben die Ökonomen in einer Analyse.
Sie sind diesbezüglich aber skeptisch, weil es in den vergangenen Jahrzehnten nie zu einer nachhaltigen Beschleunigung des Lohnauftriebs gekommen sei. "Die aufgrund einzelner Daten-Ausreißer immer wieder einmal aufkommenden Befürchtungen (oder Hoffnungen), dass sich das ändert, haben sich bisher nie bewahrheitet", geben sie zu bedenken. Auch der Anstieg des ECI im ersten Quartal könne mit Sondereffekten erklärt werden. "Wir gehen in unserem Basisszenario davon aus, dass sich daran zumindest in diesem und im kommenden Jahr nichts Grundlegendes ändert."
Andere Lohnindikatoren sind laut Weidensteiner und Balz zwar schneller verfügbar, aber vor allem im aktuellen Umfeld mit Vorsicht zu genießen. Die im Rahmen des monatlichen Arbeitsmarktberichts veröffentlichten Stundenlöhne in der Privatwirtschaft krankten an einer ungenauen Erfassung der Arbeitszeit und würden von Veränderungen in der Beschäftigungsstruktur beeinflusst, wie sich gerade in der Corona-Krise gezeigt habe.
Für besser halten die Analysten den Median Wage Growth Tracker der Atlanta Fed, der auf Basis der Haushaltsumfrage des Arbeitsmarktberichts die Löhne individueller Haushalte mit ihren Löhnen zwölf Monate zuvor vergleicht. Weidensteiner und Balz befürchten aber, dass dieser zwei Wochen nach dem Arbeitsmarktbericht vorliegende Indikator derzeit den Lohndruck unterschätzt.
Grund: Wahrscheinlich profitieren gerade diejenigen derzeit von Lohnerhöhungen, die jetzt eine Stelle antreten, vor einem Jahr aber wegen der Pandemie nicht gearbeitet haben. Diese Gruppe ist aber nicht im Wage Growth Tracker berücksichtigt, weil nur Personen untersucht werden, die sowohl im letzten Monat als auch zwölf Monate zuvor arbeiteten. "Außerdem sind in den Daten keine Antritts- und Bleibeprämien enthalten, zu denen derzeit wohl viele Arbeitgeber greifen."
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July 01, 2021 02:43 ET (06:43 GMT)
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