DJ EZB/Panetta: Bargeld könnte weiter an Bedeutung verlieren
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Zentralbanken müssen sich nach den Worten von EZB-Direktor Fabio Panetta darauf vorbereiten, dass die Nachfrage nach Bargeld weiter nachlässt. Bei einer Rede am Elcano Royal Institute sprach Panetta die Möglichkeit eines raschen Rückgangs der Bargeldnachfrage an und wies darauf hin, dass Bargeld vermehrt zur Wertaufbewahrung eingesetzt werde, während sich seine Bedeutung als Zahlungsmittel verringere.
"Die Digitalisierung ist in vollem Gange ist, und deshalb müssen sich die Zentralbanken auf eine digitale Zukunft vorbereiten, in der die Nachfrage nach Bargeld als Tauschmittel nachlassen könnte, so dass die Konvertibilität von privatem Geld in Bargeld durch die Konvertibilität in digitales Zentralbankgeld ergänzt werden muss", sagte Panetta laut veröffentlichtem Redetext.
Die EZB will in den nächsten zwei Jahren prüfen, ob sie die Einführung eines digitalen Zentralbankgelds vorantreiben soll, das nicht nur Banken, sondern auch Unternehmen und Konsumenten nutzen können. Angetrieben wird sie dabei nicht nur der sinkenden Bargeldnutzung, sondern auch von den Bemühungen weltweit tätiger Konzerne wie Facebook, privates Geld zu etablieren.
"Wenn sie die Wahl hätten, würde fast die Hälfte der Verbraucher im Euroraum lieber mit bargeldlosen Zahlungsmitteln wie Karten bezahlen", sagte Panetta. Die Internetverkäufe im Euroraum hätten sich seit 2015 verdoppelt, Bargeld werde zunehmend als Wertaufbewahrungsmittel und immer weniger als Zahlungsmittel verwendet - "ein Trend, den die Pandemie noch beschleunigt hat", wie Panetta betonte.
"Und obwohl der Bargeldbestand weiter zugenommen hat und durch die Pandemie aufgrund der höheren Vorsichtsnachfrage nach Bargeld sogar noch verstärkt wurde, werden heute nur noch etwa 20 Prozent des Bargeldbestands für den Zahlungsverkehr verwendet, während es vor fünfzehn Jahren noch 35 Prozent waren", sagte der EZB-Direktor.
Sollten sich diese Trends fortsetzen und beschleunigen, würde das Bargeld laut Panetta seine zentrale Rolle verlieren und zu einem Zahlungsmittel werden, das die Menschen nur ungern benutzten, weil es weniger auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sei. "So wie die Briefmarke mit dem Aufkommen von Internet und E-Mail einen Großteil ihrer Nützlichkeit verloren hat, könnte auch Bargeld in einer zunehmend digitalen Wirtschaft an Bedeutung verlieren."
Viele Euro-Länder sind von solchen Zuständen allerdings weit entfernt. Eine von Panetta gezeigte Grafik zeigt, dass zum Beispiel in Italien und Spanien noch mehr als 80 Prozent der Zahlungen am "point of sale" oder zwischen Personen in bar erledigt werden. In Deutschland sind es unter 80 Prozent und in Frankreich unter 60 Prozent. Zwischen 2016 und 2019 ging die Bargeldnutzung besonders deutlich in Finnland (minus 19 Prozentpunkte auf 35 Prozent) und in den Niederlanden (minus 11 Prozentpunkte auf 33 Prozent) zurück.
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November 05, 2021 08:01 ET (12:01 GMT)
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