DJ EZB/Lagarde: Dürfen Geldpolitik nicht verfrüht straffen
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--EZB-Präsidentin Christine Lagarde, ist erneut Erwartungen entgegengetreten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik wegen der aktuell hohen Inflation straffen wird. Diese Inflation sei unerwünscht und schmerzhaft, aber sie beruhe auf Faktoren, die mittelfristig wieder schwinden dürften, sagte Lagarde bei der Euro Finance Week in Frankfurt. "Wir dürfen die Geldpolitik nicht verfrüht straffen, wenn wir uns vorübergehenden oder angebotsseitigen Inflationsschocks gegenüber sehen", fügte Lagarde hinzu.
Die Verbraucherpreise im Euroraum sind im Oktober mit einer Jahresrate von 4,1 Prozent gestiegen. Die EZB strebt mittelfristig 2 Prozent Teuerung an. Lagarde sagte, dass die Inflation bis zum Jahresende weiter zunehmen dürfte und nannte mehrere Faktoren, die auch danach noch für ein erhöhtes Inflationsniveau sorgen dürften.
Die EZB-Präsidentin verwies zunächst darauf, dass die Inflationsrate 2020 nur 0,3 Prozent betragen habe, was in diesem Jahr automatisch zu einer höheren Inflation führe. Wichtiger seien aber jene Faktoren, die mit dem Wiederanlaufen der Wirtschaft nach der Pandemie zu tun hätten: Energiepreise und Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage.
Der Anstieg der Energiepreise im Oktober um 23,7 Prozent auf Jahressicht trug laut Lagarde 2,2 Prozentpunkte zur Gesamtteuerung von 4,1 Prozent bei. "Dieser Anstieg hängt mit der Wiederbelebung der Wirtschaft und der Erholung der weltweiten Nachfrage sowie mit anderen Sonderfaktoren zusammen", sagte Lagarde. Dazu gehörten Beschränkungen des Ölangebots von Seiten der Organisation Erdöl exportierender Länder und ihrer Verbündeten (Opec+), die schleppende US-Schieferölproduktion sowie geringere Gasexporte Norwegens und Russlands.
Ein weiterer inflationstreibender Faktor war Lagarde zufolge die Verlagerung des Konsums von Dienstleistungen zu Industriegütern. Auf der Angebotsseite sehen sich die Hersteller demnach mit akuten Engpässen bei wichtigen Gütern konfrontiert, die durch den "Peitschen-Effekt" noch verschärft würden - eine Situation, in der Unternehmen, die mit einer höheren Nachfrage konfrontiert sind, mehr und früher als normalerweise bestellen, um ihre eigene Lieferfähigkeit abzusichern.
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November 19, 2021 04:10 ET (09:10 GMT)
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