DJ MARKT-AUSBLICK/Riskante Woche voraus - Fed, Verfall und Inflation
FRANKFURT (Dow Jones)--Manchmal sollte man mit dem Erreichten auch zufrieden sein. Mit Blick auf das nahende Jahresende sollten Anleger vorsichtiger werden und sich bestenfalls um die Sicherung ihrer Gewinne kümmern. Denn der DAX hat mit einem Plus von rund 14 Prozent eine starke Jahresperformance hingelegt, mit der man sehr gut zufrieden sein kann. Die paar Prozente, die noch nach oben drin sein mögen, sind das Risiko nicht wert - und davon gibt es eine Menge in der kommenden Woche.
Sie ist prall gefüllt mit Konjunkturdaten wie Einkaufsmanagerindizes und Inflationsdaten und wichtigen Notenbanksitzungen, am Freitag abgeschlossen vom großen Dezember-Verfalltag an denn internationalen Terminbörsen. Schon in der ablaufenden Woche machte sich letzteres in Umschichtungen und dem sogenannten Rollen von Terminen bemerkbar. Diese Bewegungen sind fast ausschließlich von vertraglichen Lieferverpflichtungen und von keiner Kurserwartung geprägt. Von außen sehen sie leicht wie Zufallsbewegungen aus. Händler können dadurch leicht unter die Räder geraten.
Omikron dürfte Konjunktur nicht mehr gefährden
Über die Woche hinaus ist das Bild aber klar positiv. Die Konjunktur brummt, was die Einkaufsmanagerindizes, der Ifo-Konjunkturindex und Daten zur Industrieproduktion aus China und den USA untermauern dürften. Zugleich scheint die Corona-Virusvariante Omikron insgesamt an Schrecken verloren zu haben, weil mehrfache Auffrischungsimpfungen dagegen zu schützen scheinen -ungeachtet ihrer weiteren Ausbreitung. Auch der Dauerwarner und neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist optimistisch, mit dem neuen Impftempo die im Januar erwartete Welle in den Griff zu bekommen.
Das mutmaßlich größte Risiko könnten die internationalen Börsen damit auspreisen, nämlich Lockdowns und Reisebeschränkungen. Damit könnte sich die starke Nachfrage von Konsumenten und Industrie in sämtlichen Branchen austoben und die Gewinne der Unternehmen nach oben treiben.
Nicht jeder Schlagzeile hinterherlaufen
Marktstratege Jeff Halley von Oanda sieht im "Headline Tennis" eines der größeren Risiken für Anleger. Nämlich dann, wenn sie versuchen sollten, jede kleine Schlagzeile von Omikron bis zum Russland-Ukraine-Konflikt in Handelsentscheidungen umzusetzen.
Verstärkt werden davon ausgehende Risiken durch die abnehmende Liquidität zum Jahresende hin, wie Stratege Hugh Gimber vom J.P. Morgan Asset Management bereits warnte. "Wir sind in einer Zeit, wo Investoren nach jeder Nachricht greifen, die sie finden - und sowas gekoppelt mit geringer Liquidität führt zu großen Kursausschlägen".
Fundamental entscheidende und vor allem langfristige Informationen dürften zunächst nur von der US-Notenbank kommen, die am Mittwoch ihre neuesten Beschlüsse verkündet. Mit ihrem Verzicht auf die Formulierung einer nur "vorübergehend erhöhten" Inflation hat sie zuletzt eine Kehrtwende vollzogen und ein klares Signal für eine beschleunigte Straffung ihrer Geldpolitik gesendet. Marktteilnehmer fürchten daher, dass weiter hohe Inflationsdaten den eingeleiteten sogenannten Tapering-Prozess noch beschleunigen könnten.
Nigel Green vom Vermögensverwalter deVere sieht die Chance, dass die Fed mit "hawkishen" Ankündigungen die Märkte überrascht. Grund sei die Politik der Notenbank, dem Markt größere Richtungswechsel der Geldpolitik einige Monate vorher anzukündigen. Denn ein frühes Statement würde ihre Flexibilität für Zinserhöhungen im kommenden Jahr erhöhen. Für Aktienanleger sieht er aber in der möglicherweise folgenden Volatilität an den Börsen eine gute Kaufgelegenheit.
Soviel Einsicht wie bei der US-Notenbank erwarten Händler von der EZB nicht. Sie dürfte am Donnerstag auf Beschwichtigungskurs bleiben und die erhöhte Inflation weiter als vorübergehendes Phänomen bezeichnen. Ein Problem für den Markt sieht Anleiheexperte Christoph Rieger von der Commerzbank in den Schweigeperioden der EZB vor ihren Sitzungen aus. Da es keine offiziellen Kommentare gebe, könne es zu starken Auswirkungen durch Kreisemeldungen auf die Markterwartungen kommen.
Dazu blicken die Märkte in der kommenden Woche auch auf Treffen anderer Notenbanken, so in Japan, Großbritannien und der Schweiz.
Sollte der Markt nach einer derart ereignisreichen Woche und dem Großen Verfall in etwa auf dem aktuellen Niveau liegen, dann sollten sich die Anleger zufrieden zurücklehnen und den Weihnachtsbaum putzen.
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December 10, 2021 07:43 ET (12:43 GMT)
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