DJ Sinn: EZB wird geldpolitische Bremsung schwerfallen
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Europäischen Zentralbank (EZB) wird es nach Aussage des ehemaligen Präsidenten des Ifo-Instituts, Hans-Werner-Sinn, schwerfallen, die in den vergangenen Jahren geschaffene Liquidität wieder einzusammeln, um dem sich aufbauenden Inflationsdruck entgegenzuwirken. In einer "Weihnachtsvorlesung" des Ifo-Instituts sagte Sinn, die Fähigkeit der EZB, eine solche "Bremsung" durchzuführen, werde eingeschränkt durch den Unwillen der Staaten, höhere Zinsen zu akzeptieren und durch die Gefahr, dass ein Verkauf von Staatsanleihen auch die Banken in Bedrängnis bringt. Sinn bezweifelte zudem, dass es der EZB erlaubt wäre, Liquidität über hohe Einlagenzinsen zu absorbieren.
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte am Donnerstag beschließen, die Nettokäufe unter dem Pandemieprogramm PEPP per Ende März 2022 einzustellen. Das würde aber nur bedeuten, dass die EZB ihre Bilanz via PEPP nicht mehr vergrößert. Fällig werdende Papiere werden weiterhin ersetzt. Außerdem vergrößert die EZB ihre Anleihebestände weiterhin über das APP-Programm.
Sinn zufolge müsste die EZB die Überschussliquidität von rund 4,9 Billionen Euro abbauen, um Inflationsdruck aus dem System zu nehmen. "Der Verkauf ist schwierig, weil die Zinsen für neu emittierte Staatspapiere hochgehen würden. Staaten hätten höhere Zinslasten und die wollen sie nicht haben", sagte Sinn. Banken bekämen wegen des dann einsetzenden Kursverfalls Schwierigkeiten, weil sie rechnerisches Eigenkapital verlieren würden, was sie über kurz oder lang verbuchen müssten. "Dann würden viele Banken in die Überschuldung kommen", prophezeit Sinn.
Für technisch möglich hielte der Ökonom die Lösung, dass die EZB hohe Zinsen bei der Einlagenfazilität oder den Termindepositen einführt, um der Wirtschaft so Geld zu entziehen. Allerdings glaubt Sinn nicht, dass das rechtlich möglich wäre. "Sie darf nicht Kredite zu höheren Zinsen aufnehmen, wenn sie selbst noch niedrig verzinste Papiere hält - diese Reihenfolge, die manchen vorschwebt, wird rechtlich nicht gehen", sagte er. Sinn zufolge hat außerdem das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum OMT-Programm festgestellt, dass die EZB Papiere in der Regel nicht bis zur Endfälligkeit halten darf.
Der ehemalige Ifo-Chef sagte in seiner Vorlesung eine für längere Zeit erhöhte Inflation voraus, wollte sich aber nicht auf Prognosen festlegen. Das früher von ihm geleitete Ifo-Institut prognostiziert für den Euroraum in den Jahren 2021 bis 2023 Inflationsraten von 2,4, 3,2 und 1,6 Prozent. Sollte der volkswirtschaftliche Stab der EZB das bei seinen am Donnerstag anstehenden Prognosen genauso sehen, dann würde das auf eine anhaltend lockere Geldpolitik hindeuten.
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December 14, 2021 04:06 ET (09:06 GMT)
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