DJ IWH: Konjunktur kommt 2022 wieder kräftig in Schwung
Von Andreas Kißler
HALLE/BERLIN (Dow Jones)--Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erwartet, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2022 um 3,5 Prozent zunimmt nach 2,7 Prozent im laufenden Jahr. Für 2023 rechnen die Ökonomen mit einer Steigerung der Wirtschaftsleistung um 1,8 Prozent. Pandemiewelle und Lieferengpässe lassen die deutsche Wirtschaft laut der Prognose im Winter stagnieren. "Wenn ab dem Frühjahr das Infektionsgeschehen abflaut, wird der private Konsum deutlich zulegen", sagte das Institut jedoch voraus. Auch die Angebotsrestriktionen würden nach und nach abgebaut. "Die Konjunktur wird daher wieder kräftig in Schwung kommen."
Die Inflation dürfte "nur langsam zurückgehen", prognostizierten die Konjunkturexperten zudem. Sie erwarteten eine Verbraucherpreisteuerung von jeweils 3,1 Prozent in diesem und im kommenden Jahr und von 2,5 Prozent im übernächsten Jahr. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt laut der Prognose dieses Jahr auf 2,623 Millionen, nächstes auf 2,435 Millionen und übernächstes auf 2,369 Millionen. Die Arbeitslosenquote geht entsprechend auf 5,7 Prozent im Jahr 2021, 5,3 Prozent 2022 und 5,1 Prozent 2023 zurück.
Zum Ende des Jahres 2021 belaste eine neue Infektionswelle die wirtschaftliche Aktivität in Europa. Zudem habe das Auftauchen der neuen Omikron-Virusvariante die konjunkturellen Aussichten eingetrübt. Das verarbeitende Gewerbe leide weiter überall unter Knappheiten bei der Güterproduktion und hohen Rohstoffpreisen. Die hohen Inflationsraten würden die US-Zentralbank, vorerst aber nicht die Europäische Zentralbank (EZB) zu einer deutlichen Straffung der Geldpolitik veranlassen, auch weil sich in den USA anders als im Euroraum der Lohnauftrieb stark beschleunigt habe.
Geringerer Konjunkturdämpfer als vor einem Jahr
Im Sommer habe die Erholung der privaten Konsumnachfrage die deutsche Produktion kräftig expandieren lassen, trotz Produktionsrückgang im Verarbeitenden Gewerbe. "Die Pandemie-Welle im Winter bedeutet einen Rückschlag für das Gastgewerbe und in geringerem Maße auch für den Einzelhandel", betonte das IWH. Weil aber die Eindämmungsmaßnahmen der Politik vermutlich nicht das Ausmaß des Lockdowns vom vorigen Winter erreichten, dürfte der Konjunkturdämpfer geringer ausfallen als vor einem Jahr. Auch deute sich für das Schlussquartal 2021 ein Ende des Produktionsrückgangs im verarbeitenden Gewerbe an.
"Ab dem Frühjahr dürften die Infektionszahlen jahreszeitlich bedingt weiter zurückgehen, und der private Konsum wird wieder deutlich expandieren", sagte IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller voraus. Auch begünstigen die weiterhin sehr niedrigen Finanzierungskosten die Investitionen, insbesondere in Gebäude. Die derzeit ebenfalls kräftige Verbraucherpreisinflation ebbe nach dem Jahreswechsel etwas ab, bleibe aber deutlich höher als vor der Pandemie, weil die Unternehmen im produzierenden Gewerbe weiter Preissetzungsspielräume hätten und die Lohndynamik anziehen werde, auch wegen der geplanten deutlichen Erhöhungen des Mindestlohns.
Der ungewisse Fortgang des Pandemiegeschehens ist laut Holtemöller weiter "das Hauptrisiko für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland". Die Politik werde die Restriktionen so lange nach und nach verschärfen, bis die Infektionszahlen deutlich sinken. Wenn es zu einem strengen Winter-Lockdown wie vor einem Jahr käme, wäre auch mit einem entsprechend deutlichen Rückgang der Produktion zu rechnen. "Für den weiteren Jahresverlauf wird entscheidend sein, wie beherrschbar die Omikron-Variante ist", erklärte der Ökonom. Zudem bestehe die Möglichkeit, dass es zur Ausbreitung neuer Varianten komme.
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December 14, 2021 06:00 ET (11:00 GMT)
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