DJ Berenberg: Fed-Politik macht EZB-Diskussionen noch kontroverser
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding nimmt an, dass die Diskussionen im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) in dieser Woche nach den geldpolitischen Entscheidungen und der Kommunikation der US-Notenbank noch kontroverser als bisher sein werden. Vier Fragen stehen laut Schmieding im Mittelpunkt des Interesses:
1. Relativiert EZB-Präsidentin Christine Lagarde in irgendeiner Weise ihre Bemerkung vom Dezember, dass eine Zinserhöhung im Jahr 2022 "sehr unwahrscheinlich" sei, indem sie beispielsweise die Ungewissheit bezüglich der Inflationsaussichten so sehr betont, dass die Märkte dies so interpretieren könnten, dass sie die Tür für eine Zinserhöhung Ende 2022 ein wenig öffnet? "Wir halten eine solche Änderung der Rhetorik für 'sehr unwahrscheinlich', um es mit den Worten der EZB-Präsidentin zu sagen", meint Schmieding.
2. Wird die EZB als Reaktion auf den internen Streit über den mittelfristigen Ausblick ihre Einschätzung des überwiegend "vorübergehenden" Charakters des derzeitigen Inflationsanstiegs in irgendeiner Weise ändern?
3. Wird die EZB den Anstieg der zehnjährigen Anleiherenditen um etwa 35 Basispunkte seit ihrer Dezember-Sitzung als unerwünschte Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen aufgrund von Spillover-Effekten aus den USA oder als normalen Ausdruck einer laufenden Erholung des nominalen BIP bezeichnen? "Unserer Ansicht nach könnte die EZB betonen, dass sie bereit ist, die Flexibilität ihres Anleihekaufprogramms zu nutzen, um übermäßige Schwankungen der Renditen einzudämmen", sagt Schmieding. "Wir gehen jedoch nicht davon aus, dass die EZB andeuten wird, dass sie ihre Anleihekäufe ausweiten könnte, um einen weiteren geordneten Anstieg der Renditen zu verhindern."
4. Hält die EZB ihr Versprechen vom Dezember ein, "die angemessene Kalibrierung" ihres zweistufigen Systems von Einlagenzinsen zu überprüfen"? Je mehr Liquidität die EZB durch die Ausweitung ihrer Bilanz in das System pumpt, desto größer ist die Belastung, die der negative Einlagensatz für die Banken bedeutet. "Die Anhebung der Schwelle für sanktionsfreie Bankeinlagen bei der EZB ist aus unserer Sicht längst überfällig", sagt Schmieding. "Wir gehen davon aus, dass die EZB die Schmerzen für die Banken letztendlich lindern wird. Aber wir würden noch nicht darauf wetten, dass die EZB dies bereits diesen Donnerstag tut."
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February 01, 2022 03:05 ET (08:05 GMT)
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