DJ Wirtschaft und Regierung sehen EU-Halbleiterstrategie als wichtigen Schritt
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die deutsche Wirtschaft und die Bundesregierung haben nach der Vorlage des sogenannten Chips Act der EU-Kommission zur Steigerung der europäischen Halbleiterproduktion die strategische Bedeutung des Vorhabens betont, für das die Kommission rund 43 Milliarden Euro an öffentlichen Investitionen freimachen will. "Die neue Halbleiterstrategie ist ein wichtiger Schritt, Europa als globalen Player in der Chipfertigung zu stärken", erklärte das Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Iris Plöger.
Halbleiter seien unerlässlich für die Zukunft der europäischen Industrie und die erfolgreiche ökologische und digitale Transformation des Standortes Europa. "In der Chipherstellung unabhängiger zu werden, ist integraler Bestandteil einer auf Resilienz ausgerichteten europäischen Industriepolitik", sagte Plöger. Mit zunehmenden geopolitischen Spannungen und hohen staatlichen Subventionen in die Halbleiterfertigung durch Staaten wie China und die USA verschärfe sich der technologische Wettkampf. Die europäische Halbleiterstrategie müsse diesen Entwicklungen und dem Bedarf der Industrie in Europa Rechnung tragen.
Für die Wirtschaft zentral sei, neben kleinen auch größere Halbleiter und neue Materialkompositionen mit hohem Innovationspotenzial zu fördern. Die Kommission und die Bundesregierung müssten dieses Jahr angekündigte 10 Milliarden Euro für das Design und die Produktion von Chips zur Verfügung stellen und den massiven Fachkräftemangel angehen. Funktionierende globale Wertschöpfungsnetzwerke seien Grundvoraussetzung für Innovationen und bezahlbare Halbleiterprodukte, betonte Plöger zudem.
ZVEI sieht Fokus zu eng gewählt
Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI erklärte, der Chips Act sei zukunftsweisend, müsse aber "technologisch breiter aufgestellt" werden. "Mit dem European Chips Act legt die Europäische Kommission ein zukunftsweisendes, umfassendes Paket für die Halbleiterbranche vor", sagte der Vorsitzende der ZVEI-Geschäftsführung, Wolfgang Weber. Es sei richtig, jetzt das gesamte Halbleiter-Ökosystem in Europa nachhaltig zu fördern. Allerdings sei der Fokus auf Strukturgrößen unter zehn Nanometer zu eng gewählt und gehe am Bedarf der europäischen Abnehmerindustrie vorbei.
"Europa muss seine Kompetenz in allen Strukturgrößen stärken, so sind auch Leistungselektronik und Sensorik entscheidend für das Gelingen der grünen und digitalen Transformation", erklärte Weber. Kritisch sehe der ZVEI zudem den geplanten Krisenüberwachungsmechanismus. Die im Regulierungsentwurf vorgesehenen weitreichenden Markteingriffsmöglichkeiten durch die Europäische Union, die damit sogenannte Halbleiterkrisen ausrufen dürfe und dann einzelne Hersteller gegebenenfalls dazu verpflichte, spezifische Aufträge zu priorisieren, seien unverhältnismäßig.
Trotzdem sehe der ZVEI in dem Chips Act viele gute Ansätze. Es sei richtig, dass sowohl mit direkten Maßnahmen die technologische Kompetenz in Europa gestärkt werde als auch direkte Investitionen mit mitgliedsstaatlicher Unterstützung in innovative und neue Produktionsstätten getätigt würden. Der Chips Act sei "auch ein Weckruf, um die Mikroelektronikbranche in Europa endlich nachhaltig zu stärken und einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden".
Die Parlamentarische Staatsekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Franziska Brantner (Grüne), erklärte, um unabhängiger von globalen Lieferketten zu werden und die technologische Souveränität Europas zu stärken, müsse Europas Anteil an der weltweiten Produktion von Chips deutlich steigen. "Dafür kann der European Chips Act einen wichtigen Beitrag leisten." Deutschland fördere Investitionen rund um die Chipentwicklung und -produktion mit substantiellen Mitteln. Wichtig sei, "dass die Europäische Kommission den beihilferechtlichen Rahmen so setzt, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden und die Unternehmen und Mitgliedstaaten schnell starten können", betonte sie.
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February 08, 2022 09:20 ET (14:20 GMT)
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