DJ Zukunft von EU-Aufbaufonds bleibt umstritten
Von Andreas Kißler
LONDON/BERLIN (Dow Jones)--Die Aussichten auf eine mögliche Verstetigung des in der Corona-Krise aufgelegten EU-Wiederaufbauprogramms "Next Generation EU" bleiben unter Entscheidungsträgern und Wissenschaftlern umstritten. Das wurde bei einer Diskussion zu dem Thema auf dem "LSE German Symposium" der London School of Economics and Political Science deutlich, die vor Ort und online abgehalten wurde. "Es gibt Dinge, die wir beeinflussen können, und Dinge, die wir nicht beeinflussen können", sagte Kanzleramts-Staatssekretär Jörg Kukies, der den Fonds in seiner vorherigen Funktion als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium mit ausgehandelt hatte.
Klar sei, dass dieser Fonds mit dem Ende der Auszahlungen im Jahr 2026 und der Rückzahlungen bis 2058 beendet werde. "Das ist vereinbart", betonte Kukies bei der auf Englisch abgehaltenen Diskussion. "Was wir nicht beeinflussen können, ist, wie wir auf eine neue Krise reagieren", betonte er aber. "Die Antwort darauf wird in hohem Maße vom Erfolg des Fonds abhängen." Kukies betonte, mit dem Aufbaufonds seien die Chancen für weitere Schritte hin zu einer Fiskalunion nun "viel größer", wie auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner vorherigen Funktion als Finanzminister erklärt habe.
Der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, erklärte, vorstellbar seien verschiedene Szenarien für die Zukunft des temporär für die Krise aufgelegten Fonds, der eine gemeinschaftliche Rückzahlung der von der EU aufgenommenen Schulden durch die Mitgliedsstaaten vorsieht. "Die Frage ist, was bedeutet temporär", sagte er. So könne der Fonds etwa in dem Sinne temporär sein, dass die Schulden wie vorgesehen zurückgezahlt würden, aber die Fazilität bestehen bleibe. Es werde bei erneuten Krisen einen "enormen politischen Druck geben, dasselbe noch einmal zu machen", insbesondere, wenn es sich als erfolgreich erweise. Volkswirtschaftlich wäre dies sinnvoll.
Bundesbank-Vorstandsmitglied Joachim Wuermeling betonte, dies sei eine "politische Entscheidung". Wuermeling nannte es einen "Schritt vorwärts" für die Europäische Währungsunion, ein starkes fiskalisches Instrument zu haben. "Es ist wirklich eine Bazooka auch auf europäischer Ebene." Allerdings stiegen damit die Schulden, stabile Budgets seien aber "von größter Bedeutung". Der österreichische Finanzminister Magnus Brunner sprach sich dagegen aus, einen solchen Fonds zu verstetigen. "Es war eine einmalige Maßnahme", betonte er. "Mittelfristig müssen wir zu einer nachhaltigen Budgetpolitik zurückkehren." Geldtransfers und höhere Staatsdefizite könnten nicht dabei helfen, fehlende Reformen auszugleichen.
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February 10, 2022 06:21 ET (11:21 GMT)
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