DJ DIHK senkt Wachstumsprognose für 2022 nach enttäuschender Umfrage
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr auf 3,0 Prozent von 3,6 Prozent gesenkt. Grund für die Rücknahme seien "deutlich gedämpfte Rückmeldungen aus den Unternehmen" bei der jüngsten Konjunkturumfrage, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. "Damit werden wir das Vorkrisenniveau unserer Wirtschaftsleistung voraussichtlich erst zur Jahresmitte erreichen", erklärte er.
Die deutsche Wirtschaft beurteile sowohl ihre aktuelle Lage als auch den Ausblick auf das Gesamtjahr 2022 insgesamt negativer als vor dem Jahreswechsel, so das Ergebnis der bundesweiten IHK-Konjunkturumfrage zu Jahresbeginn 2022 unter knapp 28.000 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen. "Die Konjunktur hält die Luft an", stellte Wansleben fest. In den Unternehmen herrsche zwar weiterhin eine vorsichtig optimistische Grundstimmung. "Viele wissen aber wegen großer Unsicherheiten nicht, wie es weiter geht."
Man sehe bei den wichtigsten Faktoren "nach den Steigerungen des vergangenen Jahres eine Seitwärtsbewegung oder gar einen leichten Knick nach unten". So rechne nur knapp ein Viertel der Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten mit besseren Geschäften. Der noch positive Saldo aus Betrieben mit höheren Erwartungen und denen mit schlechteren Aussichten habe sich damit im Vergleich zum Herbst des Vorjahres von 10 auf 5 halbiert. Die größten Belastungsfaktoren seien neben der Corona-Krise und Lieferengpässen vor allem die stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise sowie der Fachkräftemangel.
Hohe Energiepreise und Steuerbelastung in Deutschland
Hinzu kämen weitere zu erwartende Kostensteigerungen durch die Transformation beim Klimaschutz. Insbesondere für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb ständen, sei noch offen, wie ein entsprechender Ausgleich funktionieren solle. Viele befürchteten eine Verschlechterung ihrer Position auf den Weltmärkten. "Denn der Standort Deutschland verlangt inzwischen mit die höchsten Energiepreise weltweit und liegt auch bei der Steuerbelastung für Unternehmen weit über dem Durchschnitt aller OECD-Länder", konstatierte der DIHK-Hauptgeschäftsführer.
Fast zwei Drittel der Betriebe stuften aktuell die Energie- und Rohstoffpreise als eines ihrer größten Geschäftsrisiken ein, in der Industrie sind es laut der Umfrage sogar 85 Prozent. "Das ist sowohl für die Gesamtwirtschaft als auch für die Industrie der höchste bislang von uns ermittelte Wert", betonte Wansleben. Über alle Branchen hinweg meldeten zudem neun von zehn Unternehmen höhere Einkaufspreise als Folge von Lieferengpässen, gut die Hälfte spreche sogar von Preisanstiegen "in erheblichem Umfang". Nur noch 10 Prozent der Betriebe und damit deutlich weniger als im Herbst 2021 rechneten mit einem Ende der Lieferprobleme bis zur Jahresmitte.
Auf Platz zwei der Geschäftsrisiken folgt laut der Umfrage der Fachkräftemangel. 61 Prozent der Unternehmen fürchten demnach, nicht genügend qualifiziertes Personal zu finden. Zugenommen habe auch die Sorge vor steigenden Arbeitskosten. 43 Prozent der Betriebe sähen hier ein Risiko für ihr Geschäft und damit so viele wie noch nie. Mehr als jedes dritte Unternehmen beschreibe zudem seine eigene Finanzlage als problematisch. "Zwei Jahre Corona-Krise haben viele Reserven aufgebraucht", sagte Wansleben. "Das können auch die Hilfen, die vieles abgefedert haben, nicht ändern." Je kleiner das Unternehmen, desto kritischer die Finanzlage vor allem bei Eigenkapital und Liquidität.
Besonders angespannt falle die Bewertung der Finanzlage im Gastgewerbe und bei den Unternehmen aus Kunst, Unterhaltung und Freizeit aus. Hier habe sich auch die Geschäftslage durch die Maßnahmen zur Eindämmung der vierten Corona-Welle noch einmal sehr verschärft, nachdem es im Herbst Anzeichen für einen Aufwärtstrend gegeben habe. Bessere Erwartungen meldeten die Pharmaunternehmen, die Textilhersteller sowie die Maschinenbauer. "Der Export erweist sich auch insgesamt als vergleichsweise stabil", so Wansleben. Deshalb seien Unternehmen optimistischer, die offenbar befürchtete Rückschläge durch den Export kompensieren könnten.
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February 11, 2022 03:00 ET (08:00 GMT)
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