DJ Berenberg: Wirtschaftliche Folge eines Ukraine-Kriegs überschaubar
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Ein Krieg in der Ukraine wäre nach Aussage von Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding eine menschliche Tragödie, seine Auswirkungen für die europäische Wirtschaft würden aber überschaubar bleiben. Das gelte sowohl für die Energieversorgung Europas als auch für Russland als Abnehmer europäischer Waren.
"Indem sie höhere Preise für Energieimporte aus anderen Regionen zahlen und die Energierechnungen ärmerer Haushalte subventionieren, könnten die EU-Mitglieder wahrscheinlich den Schmerz eines potenziellen Engpasses bei den Erdgaslieferungen aus Russland lindern", schreibt Schmieding in einem Kommentar. Eine längere und vollständige Unterbrechung der Energielieferungen nach Europa läge wahrscheinlich auch nicht im Interesse Russlands.
"Ein weiterer Anstieg der Energiepreise in den nächsten Monaten wäre die Art von vorübergehendem Angebotsschock, über den die Europäische Zentralbank hinwegsehen würde", kalkuliert. Eine Zinserhöhung würde dadurch nicht näher rücken.
Auch sonst gibt sich der Ökonom eher entspannt. "Russland ist ein großes Land und eine ernstzunehmende Militärmacht, doch trotz seiner Größe und seines Potenzials ist die schlecht geführte russische Wirtschaft kein wichtiger Markt für Europa", schreibt er. Deutschland beispielsweise verkaufe nur 1,9 Prozent seiner Warenexporte nach Russland, aber 5,6 Prozent nach Polen.
"Im Vergleich zu allen anderen Faktoren, die die Wirtschaftsleistung der Eurozone in diesem Jahr prägen werden (Rückgang von Omikron, langsames Nachlassen der Probleme in der Lieferkette, Anhebung der Zinssätze durch die Fed), hätten einige Verluste im Nicht-Energiehandel mit Russland infolge von Sanktionen und Gegensanktionen wahrscheinlich eine fast vernachlässigbare Auswirkung auf die Wachstumsaussichten Europas über die nächsten ein oder zwei Monate hinaus."
Als Russland in der ersten Jahreshälfte 2014 gegen die Ukraine vorgegangen sei, sei die wirtschaftliche Stimmung in der Eurozone kaum ins Wanken geraten, das reale BIP-Wachstum habe sich von 0,4 Prozent im ersten Quartal 2014 auf 0,2 Prozent im zweiten Quartal verringert, bevor es sich im dritten Quartal auf 0,5 Prozent erholt habe. "Natürlich könnte der vorübergehende Rückschlag diesmal deutlicher ausfallen", räumt Schmieding ein.
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February 14, 2022 04:42 ET (09:42 GMT)
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