DJ Rabobank: Rehn und Visco gegen starke Straffung der EZB-Geldpolitik
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Analysten der Rabobank weisen auf Interviews mit zwei als geldpolitische "Tauben" bekannten EZB-Ratsmitgliedern hin, die am Wochenende veröffentlicht wurden. Olli Rehn (Finnland) und Ignazio Visco (Italien) sprachen sich gegen eine starke geldpolitische Straffung aus. Gabriel Makhlouf (Irland) äußerte dagegen die Einschätzung, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Nettoanleihekäufe bereits im Juni einstellen könnte. Die Rabobank fasst die Aussagen der EZB-Ratsmitglieder wie folgt zusammen:
Olli Rehn:
-wenn die EZB kurzfristig stark auf die Inflation reagiert, würde sie das Wirtschaftswachstum wahrscheinlich zum Stillstand bringen
-es ist besser, über die kurzfristige Inflation hinwegzusehen und darauf zu achten, wie sie in den Jahren 2023 und 2024 aussieht
-das Preiswachstum könnte in den kommenden Jahren nahe am Zweiprozentziel liegen
-die Lohnentwicklung im Euroraum ist nach wie vor gedämpft, und die Inflation wird wahrscheinlich nicht dauerhaft hoch bleiben, es sei denn, sie wird durch die Arbeitskosten angeheizt
-die EZB wird in der März-Sitzung und in späteren Sitzungen Zeit haben, zu reagieren, wenn sich die Situation deutlich anders darstellt, als sie jetzt erscheint
Ignazio Visco:
-er glaubt nicht, dass sich das Gesamtbild, das dem bei der Sitzung im Dezember 2021 skizzierten geldpolitischen Kurs zugrunde liegt (schrittweise Reduzierung des Tempos der Nettoanleihekäufe), wesentlich verändert hat. Kurzfristig hat sich jedoch das Risiko erhöht, dass die Verbraucherpreise schneller als erwartet steigen und die Produktion langsamer wächst
-auf den Anstieg der Energiepreise sollte nicht in erster Linie mit der Geldpolitik reagiert werden, vor allem, wenn es keine Lohn-Preis-Spirale gibt und die Inflationserwartungen fest beim Ziel der EZB verankert bleiben
-der Rat ist bereit, die Risiken zu bekämpfen, die sich aus einer ungerechtfertigten Fragmentierung der finanziellen Bedingungen ergeben
Gabriel Makhlouf:
-die EZB könnte ihre Nettoanleihekäufe im Juni oder ein paar Monate später einstellen und würde die Zinsen erst danach anheben.
-die Vorstellung, dass die EZB die Zinssätze im Juni anheben könnte, erscheint ihm sehr unrealistisch. Seiner Meinung nach besteht ein gewisser Unterschied zwischen dem Zeitplan, nach dem der Rat arbeitet, und dem, den einige Marktteilnehmer im Kopf zu haben scheinen
-er ist recht zuversichtlich, dass die Nettokäufe von Vermögenswerten 2022 enden werden, aber die Frage ist, wann. Er denkt dabei an Juni oder das dritte Quartal.
-der EZB-Rat muss beurteilen, wie dauerhaft der jüngste Preisdruck sein wird. Es wird wahrscheinlich davon abhängen, ob die Löhne schneller steigen, da die Arbeitnehmer auf die steigenden Lebenshaltungskosten reagieren
-es gibt Ähnlichkeiten zwischen der heutigen Situation und der von 2011, aber auch Unterschiede. Die EZB muss die aktuell hohe Gesamtinflation in einen breiteren Zusammenhang stellen
-die Rekordinflation wirkt sich für Haushalte und Unternehmen in einer Weise aus, die sie nicht wollen und die niemand will. Die EZB will aber den Aufschwung nicht zunichtemachen
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February 14, 2022 06:11 ET (11:11 GMT)
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