
DJ EZB/Lane: Extrem niedrige Inflation kommt nicht zurück
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Philip Lane, erwartet nicht, dass der Euroraum in ein Umfeld extrem niedriger Inflationsraten zurückkehren wird. In einem Webcast von MNI Market News bekräftigte Lane zudem, dass die EZB ihre Geldpolitik normalisieren würde, wenn sie eine mittelfristige Inflationsrate von 2 Prozent erwarten könnte.
"Im spezifischen Kontext des Euroraums gibt es mehrere Faktoren, die darauf hindeuten, dass das übermäßig niedrige Inflationsumfeld, das von 2014 bis 2019 herrschte - ein Zeitraum, in dem die Inflation im Durchschnitt nur 0,9 Prozent - betrug, auch nach Beendigung des Pandemiezyklus womöglich nicht wieder auftreten wird", sagte Lane laut veröffentlichtem Redetext.
Die mittelfristigen Inflationserwartungen hätten sich im vergangenen Jahr, noch vor dem Energieschock, von einem niedrigen Niveau aus in Richtung des Inflationsziels von 2 Prozent entwickelt. "Sollte damit zu rechnen sein, dass sich die mittelfristige Inflationsdynamik in der Nähe des Zwei-Prozent-Ziels stabilisiert, so wird dies eine allmähliche Normalisierung der Geldpolitik ermöglichen", sagte Lane.
Drohe die Inflation hingegen mittelfristig deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel zu verharren, werde eine Straffung der Geldpolitik erforderlich sein. Sollte die Inflation aber mittelfristig deutlich unter das Zwei-Prozent-Ziel zu fallen drohen, werde das eine akkommodierende Geldpolitik nach sich ziehen.
Lane wies darauf hin, dass die aktuell sehr hohe Inflation mit dem Risiko einhergehe, dass auch die Inflationserwartungen steigen könnten. "Inwieweit die mittelfristigen Inflationserwartungen durch den derzeitigen Inflationsschub beeinflusst werden, hängt natürlich von der Intensität und Dauer der Periode ab, in der die Inflation über dem Zielwert liegt", sagte er.
Eine Rolle spiele dabei auch die Art der zugrunde liegenden Faktoren, insbesondere die Balance zwischen externen Angebotsschocks und Schocks bei der Inlandsnachfrage, sowie die Größe des Vertrauens in die Fähigkeit der Zentralbank, das Zwei-Prozent-Ziel mittelfristig zu erreichen.
Der EZB-Chefvolkswirt warnte vor einer Überreaktion auf die hohe Inflation und wies darauf hin, dass die starke Abhängigkeit des Euroraums von externen Energielieferungen zu einem negativen Terms-of-Trade-Schock geführt habe, dessen makroökonomische Auswirkungen in den nächsten Monaten genau beobachtet werden müssten.
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February 17, 2022 09:58 ET (14:58 GMT)
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