DJ Kabinett beschließt Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro
Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Das Bundeskabinett hat am Mittwoch eine einmalige Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro die Stunde beschlossen. Von der neuen Lohnuntergrenze, die ab 1. Oktober gilt, sollen rund 6,2 Millionen Arbeitnehmer profitieren. Aktuell liegt der Mindestlohn bei 9,82 Euro. Für Juli ist bereits ein Anstieg auf 10,45 Euro vorgesehen. Das Kabinett stimmte zudem einer Erhöhung der Verdienstgrenzen bei Minijobs auf 520 Euro monatlich von aktuell 450 Euro zu.
"Viele Bürgerinnen und Bürger unseres Landes arbeiten viel, aber verdienen wenig - das muss sich ändern. Ich freue mich, dass wir heute im Kabinett die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro beschlossen haben", erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. "Für mich eines der wichtigsten Gesetze und eine Frage des Respekts."
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärte im ZDF-Morgenmagazin, dass sich die Menschen den höheren Mindestlohn in Deutschland "verdient" hätten. Der Mindestlohn werde nun "armutsfester". Bislang hat seit 2015 eine von der Politik unabhängige Mindestlohnkommission bestehend aus Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite über die Höhe des Mindestlohns bestimmt. Heil betonte, dass die Kommission nach der einmaligen Erhöhung wieder über die Lohnuntergrenze entscheiden werde.
Arbeitgeber und Ökonomen warnen vor schädlichen Folgen
Der nun von der Bundesregierung festgelegte Mindestlohn stieß auf wenig Gegenliebe bei den Arbeitgebern. Sie sehen die vertrauensvolle Zusammenarbeit der vergangenen Jahre in der Mindestlohnkommission schwer gestört. "Der damit vorgenommene Systemwechsel von einer tarifpolitisch geprägten Mindestlohnentwicklung hin zu einer Staatslohnentwicklung ist folgenschwer", monierte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). "Die Einführung des Mindestlohns hat die Politik die Zusage gegeben, dass die Mindestlohnkommission den Mindestlohn festlegt. Dieses Versprechen wird nun gebrochen und macht den Mindestlohn zum Spielball der Politik."
Auch der Bundesverband der Dienstleistungswirtschaft (BDWi) sprach sich gegen eine Anhebung des allgemeinen Mindestlohnes auf 12 Euro durch die Bundesregierung aus. "Mit der Anhebung des Mindestlohnes per Gesetz tut sich die Bundesregierung keinen Gefallen. Sie untergräbt das Vertrauen in die Tarifautonomie. Im schlimmsten Fall wird das Gesetz vom Bundesverfassungsgericht einkassiert. Damit würde die Koalition gleich zu Beginn der Legislatur massiv an Vertrauen und Glaubwürdigkeit einbüßen", erklärt BDWi-Präsident Michael Heinz.
Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) warnte, dass mit einem Mindestlohn von 12 Euro Risiken für die Beschäftigung stiegen, während die Armut kaum sinken werde. "Bei einem so hohen Mindestlohn steigt die Gefahr, dass es zum Abbau von Beschäftigung in den betroffenen Lohnbereichen kommt. Das gilt selbst dort, wo Arbeitgeber relativ großen Lohnsetzungsspielraum haben, also Arbeitnehmern gegenüber Marktmacht besitzen", warnte IfW-Ökonom Dominik Groll. "Gleichzeitig wird der höhere Mindestlohn kaum zum Abbau von Armut oder sozialer Ungleichheit führen. Ein Mindestlohn kann den weitaus größten Teil der von Armut gefährdeten Personen nicht erreichen, das sind vor allem Rentner, Selbstständige, Arbeitslose oder Teilzeitbeschäftigte."
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February 23, 2022 06:44 ET (11:44 GMT)
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