DJ IfW: Entschädigung der von Sanktionen betroffenen Unternehmen sinnvoll
Von Andreas Kißler
KIEL/BERLIN (Dow Jones)--Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat sich angesichts angekündigter Sanktionen gegen Russland für eine Entschädigung der davon betroffenen europäischen Unternehmen stark gemacht. "Bislang waren die Sanktionen vor allem Nadelstiche gegen die Machtelite in Moskau, die kaum Kollateralschäden im Westen verursachen. Dies dürfte sich nun ändern", sagte der Vizepräsident und Konjunkturchef des Instituts, Stefan Kooths. "Die negativen Rückwirkungen werden ungleich verteilt sein, daher wäre es ratsam, die im Russlandgeschäft besonders exponierten Unternehmen durch einen entsprechenden Fonds zu unterstützen - idealerweise EU-weit."
Das wäre nicht nur ökonomisch stimmig, weil die Kollateralschäden eines außenpolitischen Ziels der EU als Gemeinschaftsgut von allen anteilig getragen werden sollten. Es hätte auch den Vorteil, die interne Verständigung der EU-Länder auf eine gemeinsame Linie zu stützen, weil die länderweise unterschiedliche Betroffenheit dadurch tendenziell abgefangen würde. Gesamtwirtschaftlich spiele Russland "praktisch nur als Rohstoffexporteur für die Europäer eine wichtige Rolle", übrige Handelsbeziehungen seien vergleichsweise unbedeutend.
Stärker als vom Gas sei Russland von Ölexporten abhängig. Unklar sei aber, wie stark ein westliches Embargo die Öleinnahmen dämpfen würde. Aus europäischer Sicht werde die Gasversorgung erst im kommenden Winter ein ernsthafteres Thema werden. Um auf Seiten der Verbraucher die Abhängigkeit vom Gasmarkt zu reduzieren, biete sich die Substitution von Gas in der Stromproduktion an. Für die Versorgung werde der Bezug von Flüssiggas wichtiger, dies erfordere jedoch einen Ausbau der entsprechenden Anlandeterminals.
Kooths betonte, ein Abkoppeln vom Swift-System würde Russland praktisch vollständig von weiten Teilen der Weltwirtschaft isolieren. "Das wäre wirtschaftlich das schärfste Schwert, das wohl erst als Antwort auf eine umfassende Invasion der Ukraine durch russische Truppen zum Einsatz käme", meinte der Ökonom. Er warnte, käme es darüber zu einem Konflikt mit China, wäre "eine Weltwirtschaftskrise nicht zu vermeiden".
Solange aber die Energiemärkte nur angespannt blieben, nicht aber die Handelsströme unterbrochen würden, wirkten die damit steigenden Preise zwar dämpfend auf die Konjunktur im Westen, doch seien dort die Auftriebskräfte nach der Corona-Krise weiterhin sehr stark. "Eine während der Pandemiephase in erheblichem Umfang aufgestaute Kaufkraft stützt die Konsumnachfrage, und die Industrie ist hierzulande mit einem rekordhohen Auftragsüberhang in das Jahr gestartet." Unsicherheit sei immer Gift für die Konjunktur. "Ob aber der Konflikt mit Russland so toxisch wird, dass er die Post-Corona-Erholung abwürgt, ist noch nicht abzusehen", betonte Kooths.
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February 24, 2022 06:55 ET (11:55 GMT)
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