DJ Vestager: EU kann russisches Gas nicht komplett verbannen
BERLIN (Dow Jones)--Die Europäische Union ist nach Ansicht von Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine weiter auf russische Gasimporte angewiesen. In einem Interview mit dem Spiegel verteidigte sie daher, dass die harten Sanktionen der westlichen Staaten weiter russische Gasimporte erlaubten.
"Wir können russisches Gas nicht komplett verbannen, einige EU-Staaten sind noch zu sehr davon abhängig", sagte Vestager. Die EU betrachte Gas jedoch als Übergangstechnologie. "Zum Schutz des Klimas haben wir begonnen, unsere Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren. Und zwar in einem Tempo, das man bis vor kurzem nicht für möglich gehalten hätte«, so Vestager. "Das wird zusätzlichen Druck auf Moskau ausüben."
Auch die Menschen in Mitteleuropa, die in relativer Sicherheit lebten, würden die wirtschaftlichen Kosten des Krieges spüren. Allerdings sehe sie keine Gefahr, dass die Kollateralschäden für die europäische Wirtschaft am Ende größer ausfallen könnten als die Nachteile für Putin.
"Russland hat ein riesiges Territorium, aber eine bescheidene Wirtschaftskraft, nicht größer als die Spaniens. Die EU ist noch immer der drittgrößte Binnenmarkt der Welt. Europa hat deshalb viel mehr Möglichkeiten als Russland, die Folgen von Sanktionen abzufedern", so Vestager.
Die Dänin sprach sich zudem gegen verstärkte staatliche Eingriffe in den Strommarkt aus, um steigenden Energiepreisen entgegenzuwirken. "Wir sollten an unserem bewährten marktwirtschaftlichen Regelwerk festhalten, das in den vergangenen Jahren zuverlässig für niedrige Preise gesorgt hat", sagte sie dem Spiegel. "Zugleich sollte die EU prüfen, ob sie nicht mehr gemeinsame Speicher etwa für Gas einrichtet, sodass sich die Länder untereinander helfen können. Nicht nur in Notzeiten, auch im Regelbetrieb."
Vestager lehnte es außerdem ab, als Antwort auf die neuen geopolitischen Herausforderungen eine aktivere staatliche Industriepolitik in Europa zu betreiben. "Wie viele Länder waren in der Vergangenheit mit einer solchen Idee erfolgreich?", fragte sie im Spiegel. "Das einzige Beispiel, das mir einfällt, ist China. Ich habe größte Zweifel, ob die EU versuchen sollte, das bessere China zu werden."
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March 01, 2022 04:30 ET (09:30 GMT)
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