DJ EZB/Enria: Euroraum-Banken bisher nur wenig von Ukraine-Krieg getroffen
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Banken des Euroraums sind nach Aussage des Chefs der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria, nur wenig von der russischen Invasion in der Ukraine betroffen. Enria sagte bei einer Konferenz von Morgan Stanley, die direkten Auswirkungen seien überschaubar und die indirekten bisher nur schwer zu beurteilen. Die Ausschüttungspläne der Banken sehen Enria zufolge vor diesem Hintergrund vernünftig aus, eine Empfehlung wie die zu Beginn der Corona-Krise will die EZB demnach nicht aussprechen.
"Die direkten Engagements scheinen begrenzt zu sein. Die Institute haben ihre Exponierungen außerdem reduziert, sie haben Positionen aufgelöst, und wir sehen keinen größeren operativen Probleme durch Sanktionen", sagte der Chef-Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank (EZB). Laut einer von ihm gezeigten Grafik hatten die Großbanken vor Beginn des Ukraine-Kriegs in Russland ein Kreditportfolio von 102,8 Milliarden Euro, während die kleineren Institute auf rund 5 Milliarden Euro kamen.
Selbst extreme Abwanderungsszenarien mit Blick auf russische Tochtergesellschaften schienen angesichts der derzeit soliden Kapitalpositionen Muttergesellschaften verkraftbar. "Auch weil die russischen Töchter in Lokalwährung finanziert sind, gibt es keine große konzerninterne Exponierung", sagte Enria.
Die Positionen der Großbanken in Zinsderivaten beliefen sich laut Enrias Darstellung auf rund 46,5 Milliarden Euro, und bei Währungsderivaten waren es 21,5 Milliarden. Die Großbanken hielten russische Wertpapiere für 5,7 Milliarden Euro und ukrainische Papiere für 0,8 Milliarden Euro.
Die indirekten Auswirkungen des Kriegs für die Banken sind laut Enria viel schwerer zu quantifizieren. Bisher gibt es nach seiner Aussage auch hier "keine Störung". Nach seinen Worten beobachtet die EZB aber Exponierungen gegenüber Gegenparteien, die indirekt durch Sanktionen oder durch die Zahlungsunfähigkeit einer russischen Gegenpartei betroffen sein könnten. Geprüft würden auch die Verbindungen zwischen Banken und Nicht-Banken. "Aber auch wenn man sich die indirekte Exponierung durch regulierte Nicht-Banken wie Investmentfonds oder Rentenfonds ansieht, dann ist das ziemlich gedämpft", sagte der EZB-Bankenaufsichtschef. Das Gleiche gelte für unregulierte Nicht-Banken.
Vor diesem Hintergrund und wegen des zumindest im Basisszenario "robusten" Wachstumsausblicks sehen die Bankenaufseher Enria zufolge keinen Grund, nach dem Vorbild ihrer Empfehlung zu Beginn der Corona-Krise Ausschüttungen durch Banken einzuschränken. "Wenn wir uns die angekündigten durchschnittliche Ausschüttungsquoten auf Basis der Gewinne von 2021 ansehen, dann scheinen grob in einer vernünftigen Größenordnung zu bewegen", sagte Enria. Allerdings machte Enria deutlich, dass die EZB bei einer ähnlichen Situation wie 2020 erneut so handeln würde. "Ich plane nicht, dieses Instrument vom Tisch zu nehmen", sagte er.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
DJG/hab/jhe
(END) Dow Jones Newswires
March 15, 2022 10:33 ET (14:33 GMT)
Copyright (c) 2022 Dow Jones & Company, Inc.