DJ DIHK: Krieg und Sanktionen verschärfen Lieferketten-Probleme der Wirtschaft
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Folgen verschärfen nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) auch die Probleme in den Lieferketten der Wirtschaft enorm. "Inzwischen erreichen uns auf vielen Kanälen Rückmeldungen über eine starke Zunahme der Probleme", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Laut einem ersten Trend aus der laufenden DIHK-Blitzbefragung zu den wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine meldeten rund 60 Prozent der Unternehmen zusätzliche Störungen in der Lieferkette und der Logistik als Folge des Krieges.
Schon in der bundesweiten IHK-Konjunkturumfrage zu Jahresbeginn hätten 84 Prozent der deutschen Industriebetriebe mittlere bis erhebliche Lieferschwierigkeiten gemeldet, sagten DIHK-Vizepräsident Ralf Stoffels und Treier. Damit sei einer DIHK-Sonderauswertung zufolge bereits vor Kriegsausbruch eine deutliche Mehrheit der Unternehmen mit Problemen in ihren Lieferketten konfrontiert gewesen; das sei aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Bereits zu Jahresbeginn hätten lediglich 10 Prozent der Betriebe mit einem baldigen Ende der Lieferketten-Probleme gerechnet, sagte Treier. Inzwischen dürften es noch weniger sein.
Insbesondere für Deutschlands mittelständische Industriebetriebe spitzt sich die aktuelle Lage wegen der anhaltenden Probleme nach den Worten von DIHK-Vizepräsident Stoffels teilweise dramatisch zu: "Diese Unternehmen stehen derzeit von zwei Seiten unter Druck: Sie bekommen selbst weniger Vorprodukte oder - wie vor allem bei Energie - nur zu sehr hohen Preisen. Zugleich können sie die Kostensteigerungen nur teilweise an ihre Kunden weitergeben und selbst wegen der Verzögerungen in der eigenen Lieferkette immer schlechter liefern."
Dabei seien auch viele Unternehmen, deren deutsche Spezialprodukte in den weltweiten Lieferketten eine oft entscheidende Rolle spielten. "Es gibt kaum Autos, Smartphones oder Maschinen, die ohne in Deutschland produzierte Schlüsselkomponenten funktionieren." Deshalb müssten Wirtschaft und Politik die massiven Störungen der Lieferketten gemeinsam in den Griff bekommen. Selbst unter den Unternehmen, die erhebliche finanzielle Einbrüche durch die gegen Russland verhängten Sanktionen verzeichneten, sei der Rückhalt für die harten Maßnahmen aber groß.
Stoffels und Treier beklagten, dass deutschen Unternehmen weltweit immer mehr Handelshürden und Protektionismus begegneten. Das habe sich im Zuge der Coronavirus-Pandemie verstärkt und sei eine bedenkliche Entwicklung. "Denn wir verlieren dadurch immer mehr Vorteile der internationalen Arbeitsteilung", sagte Stoffels. Für mittelständische Betriebe wäre es "gerade in diesen Zeiten ein Befreiungsschlag", wenn die EU bei den Handelsabkommen im Indopazifik und Südamerika spürbar vorankäme. Auch sollten Handelsschutzmaßnahmen, die wichtige Importe übermäßig verteuerten, gerade jetzt in Zeiten erhöhter Inflation besonders kritisch hinterfragt werden. Vielleicht sei die Krise auch eine Chance, "hier bessere Ergebnisse auf Augenhöhe zu erzielen".
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March 17, 2022 04:30 ET (08:30 GMT)
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