DJ RWI: Gestiegene Energiepreise belasten wirtschaftliche Erholung
Von Andreas Kißler
ESSEN/BERLIN (Dow Jones)--Das RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung senkt aufgrund der Auswirkungen der Ukraine-Krise seine Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum im Jahr 2022 auf 2,5 Prozent von 3,9 Prozent. Für 2023 erwartet es nun 3,6 anstatt 2,5 Prozent. Insbesondere die kräftig gestiegenen Öl- und Gaspreise belasteten Unternehmen und Haushalte in hohem Maße. Positive Impulse gingen dagegen von den Lockerungen der Corona-Infektionsschutzmaßnahmen aus. Insgesamt dürfte die Wirtschaftsaktivität in den kommenden Monaten laut RWI wieder ausgeweitet werden.
Die Inflation dürfte in diesem Jahr bei 5,2 Prozent liegen und im nächsten auf 2,3 Prozent zurückgehen. In diesem Jahr führten die steigenden Erdgas- und Rohölpreise zu höheren Heiz- und Benzinkosten und wirkten so direkt auf die Verbraucherpreise. Dieser Preisanstieg dürfte erst im Verlauf des Jahres nachlassen. Da kurzfristig keine deutlichen Steigerungen bei den Tariflöhnen zu erwarten seien, werde es voraussichtlich zu keiner Lohn-Preis-Spirale kommen.
Die aktuell steigenden Energiekosten belasteten Verbraucher und Unternehmen. Bei den Unternehmen seien vor allem energieintensive Branchen des Verarbeitenden Gewerbes betroffen, wie die Chemische Industrie sowie die Stahl-, Papier- und Glasindustrie. Die Belastungen würden die Produktion bereits im ersten Quartal nochmals sinken lassen und in den folgenden Quartalen anhalten. Auch im Dienstleistungssektor würden die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine spürbar sein, er dürfte sich ab dem zweiten Quartal jedoch aufgrund gelockerter Infektionsschutzmaßnahmen erholen.
Auftriebskräfte setzen sich künftig stärker durch
Die Probleme in den globalen Lieferketten würden sich infolge des Krieges wohl langsamer lösen, als es sonst zu erwarten gewesen wäre. Eine allmähliche Normalisierung sei dennoch zu erwarten. "Der Krieg in der Ukraine belastet die Erholung der deutschen Wirtschaft von der Corona-Krise stark", erklärte RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt. "In den kommenden Monaten dürften sich die Auftriebskräfte jedoch wieder stärker durchsetzen."
Der Arbeitsmarkt zeige sich weiter robust. Im Verlauf des Jahres dürfte die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weiter kräftig um fast 300.000 steigen. Die Zahl der Arbeitslosen soll nach der Prognose 2022 auf 2,290 Millionen und 2023 auf 2,255 Millionen sinken. Die Arbeitslosenquote dürfte 5,0 Prozent in diesem und 4,9 Prozent im nächsten Jahr betragen.
Nach der Prognose sollen die privaten Konsumausgaben in diesem Jahr um 5,1 Prozent und im kommenden um 4,3 Prozent steigen und die Ausrüstungsinvestitionen 2022 um 3,2 Prozent und 2023 um 10,2 Prozent. Die Exporte nehmen demnach 2022 um 5,2 Prozent und 2023 um 2,6 Prozent zu, die Importe steigen um 7,1 Prozent in diesem und 2,9 Prozent im nächsten Jahr. Das staatliche Budgetdefizit dürfte im laufenden Jahr auf knapp 89 Milliarden Euro und im Jahr 2023 weiter auf gut 70 Milliarden Euro sinken.
Die Prognose beruht den Angaben zufolge auf der Annahme, dass keine weiteren Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt und gleichzeitig die russischen Gaslieferungen an Deutschland fortgeführt werden. Zudem werde angenommen, dass die Zahl der Corona-Neuinfektionen ab dem zweiten Quartal zurückgehe, die Infektionsschutzmaßnahmen weitgehend aufgehoben und im kommenden Winter nicht erneut nötig sein würden. Darüber hinaus werde unterstellt, dass die Lieferengpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten sich nach und nach auflösten.
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March 17, 2022 06:00 ET (10:00 GMT)
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