DJ Schnabel: EZB muss auf Energiepreisinflation "balanciert" reagieren
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) muss sich nach den Worten von EZB-Direktorin Isabel Schnabel darauf einstellen, dass der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft mit einem höheren Preisdruck von der Energieseite einhergeht. Bei der Konferenz "The ECB and it's Watchers" fordert Schnabel allerdings, zwischen drei Arten von Energiepreisinflafation zu unterscheiden und darauf unterschiedlich zu reagieren.
Der Preisdruck infolge von Klimaereignissen ("Climateflation") und der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ("Fossilflation") stellt Schnabel zufolge negative Schocks und "Terms-of-Trade-Schocks" dar, die eine "fein ausbalancierte Reaktion" der Geldpolitik erforderten. Dagegen sei der Preisdruck durch den Übergang zur Klimaneutralität ("Greenflation") ein positiver und lang anhaltender Angebotsschock, mit dem die EZB in konventioneller Weise umgehen könne, indem die Inflation und Output gleichzeitig bremse.
Schnabel zufolge ist aktuell hohe Inflation vor allem "Climateflation" und "Fossilflation". "Einerseits ist Vorsicht geboten, um die negativen Auswirkungen zu minimieren, die eine Änderung des geldpolitischen Kurses auf die Gesamtnachfrage in einer Zeit haben könnte, in der die Wirtschaft unter den höheren Energie- und Lebensmittelpreisen leidet", sagte Schnabel laut veröffentlichtem Redetext. Dies gelte umso mehr wegen der Unsicherheit, die der Einmarsch Russlands in der Ukraine für das Vertrauen und die Gesamtnachfrage im Euroraum bedeute.
Schnabel rechnet damit, dass die so entstehende Inflation bis auf weiteres hoch bleiben wird, wenn die EU ihre Gaseinfuhren aus Russland bis Jahresende tatsächlich um zwei Drittel kürzt. Die Future-Preise am Energiemarkt seien insofern wenig aussagekräftig. Schnabel sieht außerdem die Gefahr, dass eine verglichen mit anderen Zentralbanken lockerere Geldpolitik den Wechselkurs des Euro belasten und damit die Kaufkraft der Haushalte zusätzliche belasten würde.
"Andererseits sind die aktuellen Inflationsaussichten selbst unter Berücksichtigung dieser Unsicherheit nicht mehr mit den außergewöhnlichen politischen Maßnahmen vereinbar, die wir zur Bekämpfung der sehr niedrigen Inflation ergriffen haben", sagte Schnabel weiter fügte hinzu: "Selbst nach einem Ende der Nettoanleihekäufe im dritten Quartal, wie wir es derzeit erwarten, wäre unsere Geldpolitik immer noch sehr akkommodierend." Gleichwohl sollte die EZB nur dann einen straffen geldpolitischen Kurs einschlagen, wenn die Inflationserwartungen zu entgleisen drohten.
"Die Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Menschen in der Ukraine zu unterstützen und sowohl unseren Planeten als auch das Recht freier Gesellschaften auf territoriale Integrität und Unabhängigkeit zu schützen, werden ein neues Zeitalter der Energiepreisinflation einläuten", sagte die EZB-Direktorin.
Nach Aussage der EZB-Direktorin kann die EZB selbst einiges tun, um den grünen Wandel zu unterstützen. So schlug sie vor, im Rahmen der Reinvestition von Tilgungsbeträgen die Struktur des APP-Unternehmensanleiheportfolios umweltfreundlicher zu gestalten - "sobald wir entschieden haben, wie der Grundsatz der Marktneutralität, der derzeit unsere Anleihekäufe leitet, geändert werden soll", wie sie anmerkte.
Als weiteres Beispiel nannte Schnabel eine Begrenzung des Volumens von Repo-Sicherheiten von Emittenten mit hohen CO2-Emissionen. "Es ist zu erwarten, dass sich solche Änderungen im Laufe der Zeit auf den gesamten Sicherheitenbestand der Geschäftspartner des Eurosystems auswirken werden", sagte sie.
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March 17, 2022 10:04 ET (14:04 GMT)
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