DJ IMK: Rezessionswahrscheinlichkeit in Deutschland spürbar gestiegen
BERLIN (Dow Jones)--Die Rezessionswahrscheinlichkeit in Deutschland ist aufgrund der ersten wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine gestiegen. Das ergaben Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Das Risiko, dass die deutsche Wirtschaft in den kommenden drei Monaten in eine Rezession gerät, hat sich demnach von 16,1 Prozent im Februar auf aktuell 23,9 Prozent erhöht.
Der nach dem Ampelsystem arbeitende Konjunkturindikator des Instituts ist von "gelbgrün" auf "gelbrot" gesprungen. Das signalisiert laut IMK zunächst für den Zeitraum von März bis Ende Mai eine "erhöhte konjunkturelle Unsicherheit".
"Tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass sich die Inflation über die Energiepreisschocks infolge der russischen Invasion vom ohnehin hohen Niveau noch weiter beschleunigen wird", warnte Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des IMK. "Somit trüben sich die realwirtschaftlichen Aussichten der deutschen Wirtschaft für die kommenden Monate ein. Zudem drohen neue Lieferengpässe, deren Schärfe und Dauer vom weiteren Konfliktverlauf abhängt."
Der bisher messbare Anstieg der Rezessionswahrscheinlichkeit sei hauptsächlich auf die Finanzmarktdaten zurückzuführen, da die realwirtschaftliche Frühindikatoren wie etwa Auftragseingänge oder Produktionsdaten erst für den Zeitraum noch vor Beginn der russischen Angriffe verfügbar seien. Seit Kriegsbeginn dürfte laut IMK die Produktion stärker zurückgegangen sein, etwa aufgrund von unterbrochenen Lieferketten und weiter drastisch gestiegenen Energiepreisen, die Unternehmen und private Haushalte gleichermaßen treffen.
Der IMK-"Finanzmarktstressindex", der einen breiten Kranz von Indikatoren zusammenfasst, ist im März um 5 Prozentpunkte gestiegen. Eine Ursache dafür sind deutlich höhere Prämien für Kreditrisikoversicherungen, ein anderer die schwächeren Börsenkurse, so das IMK. Außerdem habe sich der Zinsaufschlag, den Unternehmen bei ihren Anleihen gegenüber Staatspapieren zahlen müssen, deutlich erhöht, was für verschlechterte Finanzierungsbedingungen spreche.
"Dass die Rezessionswahrscheinlichkeit nicht noch stärker angezogen hat, liegt an der zuletzt weiter gestiegenen Zahl offener Stellenangebote und dem bislang relativ freundlichen Ifo-Geschäftsklimaindex, der aber ebenfalls noch nicht die Stimmung nach Kriegsbeginn abbildet", erklärte das IMK.
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March 18, 2022 05:16 ET (09:16 GMT)
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