
Der Ukraine-Krieg sorgt für eine Rally bei Rüstungsaktien. Waffenlobbyisten fordern sogar, dass Rüstungskonzerne als ESG-konform gelten sollten. Sind Investments in Rüstungsgüter jetzt nachhaltig? Das sagen ESG-Experten.
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine steigen die Verteidigungsausgaben in Europa. Allein Deutschland stattet die Bundewehr mit einem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro aus. Zudem wollen die Deutschen von nun an das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfüllen - mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen in den deutschen Rüstungsetat fließen.
Davon profitieren insbesondere Rüstungsaktien wie Rheinmetall oder Hensoldt. Die Rheinmetall-Aktie stieg innerhalb eines Monats um mehr als 80 Prozent. Die Hensoldt-Aktie gewann im selben sogar mehr als 110 Prozent hinzu.
Für viele ESG-Investoren und auch manche großen institutionelle Investoren sowie Banken waren Investments in Waffen und Rüstungsgüter in den vergangenen Jahrzehnten tabu. Entsprechende Ausschlusskriterien sorgten dafür, dass Rüstungsaktien nicht in als nachhaltig beworbenen Finanzprodukten landeten.
"Sicherheit als Mutter aller Nachhaltigkeit"?
Doch mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist eine neue Diskussion rund um Rüstungsaktien entbrannt. Plötzlich gibt es Stimmen, die Investments in Waffen und Rüstung als nachhaltig bezeichnen. Schließlich gehe es um Verteidigung Europas. Vorher waren solche Positionen undenkbar.
Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, hatte kürzlich sogar gefordert, dass Rüstungshersteller in der EU als ESG-konform gelten sollten. Der Rüstungslobbyist bezeichnete "Sicherheit als 'Mutter' aller Nachhaltigkeit". Denn "ohne Sicherheit sei Nachhaltigkeit nicht zu erreichen".
Erste Banken reagieren bereits: Die schwedische Großbank SEB will ab April ihr Verbot von Investitionen in Waffen aufheben. Und die Commerzbank glaubt, dass "es jetzt mehr Investitionen in der Rüstungsindustrie geben wird", berichtet der Tagesspiegel.
ESG-Experten zu Rüstungsaktien
Sind Investments in Rüstungsaktien jetzt nachhaltig? Ganz klar Nein, findet Wirtschafts- und Sozialethiker Klaus Gabriel, Vorstand bei CRIC - einem Verein zur Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage.
Der Grund: "Wer in Unternehmen investiert, die Rüstungsgüter herstellen, profitiert davon, dass diese potenziell oder tatsächlich eingesetzt werden. Unter marktwirtschaftlichen Bedingungen könnte das Erzeugen politischer Spannungen oder das Provozieren von Kriegen 'geschäftsfördernd' sein - mit fatalen Folgen: der Krieg wäre dann ein Geschäftsmodell".
Max Deml, ESG-Experte und Gründer des Öko-Invest-Verlags, stellt fest, dass "die Rüstungsbranche bei den drei Ampel-Parteien für eine Aufnahme in die EU-Sozialtaxonomie bisher keine Unterstützung gefunden" hat.
Volker Weber, Vorstandsvorsitzender des Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG), erklärte gegenüber wallstreet:online: "Für mich persönlich sind Rüstungsaktien als nicht nachhaltig einzustufen." Allerdings will er nicht ausschließen, "dass auch beim Thema Rüstung, andere Argumente die Oberhand gewinnen." Schließlich habe die EU auch Kernkraft und Erdgas unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltige Investments eingestuft.
Autor: Ferdinand Hammer, wallstreet:online Zentralredaktion
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