DJ Berenberg: Geldmarktzins steigt nach EZB-Zinsanhebung überproportional
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Geldmarktzinsen im Euroraum werden nach Einschätzung von Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding deutlich steigen, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Einlagenzins anhebt und die Überschussliquidität im Bankensystem abnimmt. "Es ist anzunehmen, dass sich der Geldmarktzins dann wieder dahin bewegt, wo er hingehört, nämlich zum Hauptrefinanzierungssatz", sagte Schmieding bei einer Pressekonferenz. Anfang nächsten Jahres könnte der Geldmarktzins um 75 Basispunkte höher als heute liegen.
Schmieding wies darauf hin, dass sich der Geldmarktzins aktuell wegen der sehr hohen Überliquidität im Bankensystem am negativen Einlagensatz orientiere. Wenn aber die EZB, wie sich derzeit andeute, ihre Nettoanleihekäufe im dritten Quartal einstelle, dann könne sie ihren Einlagensatz in diesem Jahr um 25 Basispunkte anheben. Für den Verlauf des Jahres 2023 rechnet Schmieding mit weiteren "spürbaren" Zinsanhebungen.
Eine weitere notwendige Bedingung für deutlich höhere Geldmarktsätze ist der Abbau der Überliquidität. "Meine Annahme ist, dass die Banken ein Drittel bis die Hälfte der TLTRO-Mittel zurückzahlen werden", sagte Schmieding unter Verweis auf die langfristigen und gezielten Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO). Deren Sonderkonditionen, die ein Festhalten an dieser Liquidität für die Banken besonders attraktiv machen, laufen in diesem Juni aus.
"Ich wäre überrascht, wenn der Geldmarktsatz nach dem zweiten Zinsschritt noch deutlich unter dem Hauptrefinanzierungssatz liegen würde", sagte der Berenberg-Chefvolkswirt. Eine EZB-Zinserhöhung um 25 Basispunkte hätte die gleiche Wirkung wie ein Schritt von 75 Basispunkten bei anderen Zentralbanken.
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March 22, 2022 07:41 ET (11:41 GMT)
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