DJ Bundesnetzagentur und Wirtschaft rufen zur Vorbereitung für Gas-Notfall auf
Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesnetzagentur und die Wirtschaft halten die Ausrufung der Frühwarnstufe des Notfallplans Gas aufgrund des Gasstreits mit Russland durch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für richtig. Nun müssten sich staatliche Stellen, aber auch die Industrie und Verbraucher auf mögliche Engpässe vorbereiten. Die Energiewirtschaft mahnt einen klaren Fahrplan für den Notfall an.
"Ziel ist und bleibt es, eine Verschlechterung der Gasversorgung für Deutschland und die Europäische Union durch Einsparungen und Zukäufe zu vermeiden", erklärte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. "Die Bundesnetzagentur bittet Verbraucher und Industrie beizutragen und bereitet sich auf alle Szenarien vor."
Habeck hatte zuvor die Frühwarnstufe ausgerufen und gleichzeitig erklärt, dass die Versorgungssicherheit weiter gewährleistet sei. "Es gibt aktuell keine Versorgungsengpässe. Dennoch müssen wir die Vorsorgemaßnahmen erhöhen, um für den Fall einer Eskalation seitens Russlands gewappnet zu sein", sagte Habeck.
Bei Lieferstopp schnell agieren
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht in der Ausrufung der Frühwarnstufe einen wichtigen Schritt, der nun auch auf formalem Weg erlaubt, Vorsorge für eine eventuell mögliche erhebliche Verschlechterung der Gasversorgungslage zu treffen. Unternehmen müssten sich auf einen möglichen Lieferstopp russischer Gasmengen vorbereiten und einen Betrag zur Krisenvorbereitung zu leisten.
"Obwohl aktuell noch keine Mangellage vorliegt, ist es notwendig, dass alle Beteiligten für den Fall einer Lieferunterbrechung einen klaren Fahrplan zu ihren Rechten und Pflichten haben", erklärte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. "Das heißt, wir müssen jetzt die Notfallstufe konkret vorbereiten, denn im Fall einer Lieferunterbrechung muss es schnell gehen."
DIHK will über Folgen von Versorgungsengpässen reden
Für den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) handelt die Bundesregierung ebenfalls verantwortungsvoll. Unternehmen müssten nun mit den Gasversorgern in Kontakt treten und sich mit den Folgen der Versorgungsengpässen auseinander setzen, erklärte DIHK-Präsident Peter Adrian.
"Denn bei einem Lieferstopp wären in den Folgemonaten in erster Linie viele Unternehmen von Abschaltungen betroffen - mit extremen wirtschaftlichen Folgen", sagte Adrian. Letztlich wären alle Wertschöpfungsketten negativ beeinflusst. Wenn etwa ein Unternehmen keinen Kunststoff produzieren könne, fehlten diese Vorprodukte auch in der Fertigung von Lebensmittelverpackungen oder von Medizinprodukten.
Erschwerend komme hinzu, dass neben den Gaspreisen auch die Strompreise explodieren würden. "Damit wären auch Unternehmen betroffen, die kein oder wenig Gas einsetzen - auch deshalb wären die wirtschaftlichen Auswirkungen gravierender als vielfach angenommen", warnte Adrian.
Viele Unternehmen hätten spätestens seit Anstieg der Energiepreise im letzten Jahr sämtliche praktikablen Maßnahmen zur Senkung ihres Energieverbrauchs ergriffen. "Ihnen bleiben daher oft keine kurzfristigen Einsparmöglichkeiten - außer die eigene Wirtschaftstätigkeit einzuschränken oder einzustellen", so Adrian. "Ich empfehle den Betrieben in jedem Fall, in den Austausch mit ihrem Gasnetzbetreiber zu treten und sich intensiv mit möglichen Folgen von Versorgungsengpässen auseinanderzusetzen."
Stadtwerke mahnen Priorisierung der Gaslieferung an
Der Verband der Kommunalen Unternehmen (VKU) erklärte, dass nun eine rechtzeitige Vorbereitung auf einen möglichen russischen Lieferstopp und eine dann folgende Unterversorgung erfolgen müsse. Niemand wünsche sich eine Notlage bei der Versorgung, aber man könne sie auch nicht ausschließen. Daher müsse von staatlicher Seite gehandelt werden.
"Die Stadtwerke benötigen klare Kriterien und Rechtssicherheit bei der im Knappheitsfall erforderlichen Priorisierung, wem weiterhin wie viel Gas geliefert werden kann", erklärte Ingbert Liebing, VKU-Hauptgeschäftsführer. "Möglicherweise ist es für den Fall eines Lieferstopps auch erforderlich, umfangreiche Beschränkungen und Vorgaben für den Gashandel zu verfügen und die kommunalen Energieversorger finanziell abzusichern. Hier sind Bundesregierung und Bundesnetzagentur gefordert."
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March 30, 2022 07:23 ET (11:23 GMT)
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